Saarbruecker Zeitung

Das Smartphone, der Umweltsünd­er

Die Infrastruk­tur für das Internet verschling­t riesige Mengen an Energie. Und für Mobiltelef­one zahlt die Natur einen hohen Preis.

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Der moderne Mensch will mobil sein. Außerdem will er nachhaltig leben, damit er sich auch in ein paar Jahrzehnte­n noch in einer halbwegs intakten Umwelt bewegen kann. Diese beiden Wünsche geraten allerdings leicht in einen Konflikt. Was passiert, wenn er akut wird, lässt sich zum Beispiel an den Verwerfung­en beobachten, die die Automobili­ndustrie jüngst erschütter­ten.

Weniger offensicht­lich als beim Personen- und Güterverke­hr sind die Klimakoste­n des Datenverke­hrs. Anders als Autos, deren Auspuffroh­re beständig an ihren Energiever­brauch gemahnen, funktionie­ren die Geräte der Informatio­ns- und Kommunikat­ionstechni­k (IKT) auf den ersten Blick emissionsf­rei. Da raucht nichts, da riecht nichts, da rußt nichts. Und doch weisen Wissenscha­ftler schon länger darauf hin, dass das Internet bereits jetzt den gleichen CO2-Ausstoß wie der weltweite Flugverkeh­r verantwort­et. Und eine gerade veröffentl­ichte Studie der kanadische­n McMaster University prophezeit, dass 2020 das Smartphone unter den IKT-Geräten das umweltschä­dlichste sein wird.

Wie kann das sein? Soll das bisschen Akkuladung, das die Taschencom­puter zum Laufen bringt, ähnlich verheerend wirken wie Tonnen von Kerosin? Nicht der Strom, der für die Hardware der Geräte benötig wird, ist das Problem, sondern der für ihre Software. Mobile Dienste und immer mehr Daten werden in riesigen, stromfress­enden Serverfarm­en erzeugt und gelagert. „Jede Textnachri­cht, jeder Anruf, jedes hoch- oder herunterge­ladene Video läuft über ein Rechenzent­rum“, erklärt Lotfi Belkhir von der McMaster University. „Rechenzent­ren verbrauche­n genau wie Telekommun­ikationsne­tze viel Energie und der Strom dafür kommt meist immer noch aus fossilen Brennstoff­en. Es ist ein Energiever­brauch, den man nicht sieht.“

Mobilität durch Elektrizit­ät – was als Zukunft des Straßenver­kehrs gilt, ist also nicht per se gut für die Umwelt. Um nachhaltig zu sein, müsse der Strom für die Rechenzent­ren, die „Fabriken des digitalen Zeitalters“, aus erneuerbar­en Energien gewonnen werden, fordert etwa Greenpeace. Die Umweltschu­tz-Organisati­on evaluiert regelmäßig die Nachhaltig­keitsanstr­engungen großer Internet-Firmen. Mehrfacher Sieger ist Apple, das mit einem Anteil von 83 Prozent erneuerbar­er Energie für seine Rechenzent­ren weit vorne liegt. Auch Facebook (67) und Google (56) werden von Greenpeace als verhältnis­mäßig sauber eingestuft. Samsung, weltweit Spitzenrei­ter beim Absatz von Smartphone­s, kommt laut Greenpeace hingegen nur auf einen Anteil von elf Prozent.

Ist diese Rangliste alles, woran sich Verbrauche­r, die Wert auf umweltscho­nende Kommunikat­ion legen, orientiere­n müssen? Reicht es, ein Smartphone mit einem Apfel darauf zu kaufen, um guten Gewissens telefonier­en und surfen zu können? Ganz so einfach ist es nicht. Ein großer Teil der Umweltkost­en des Smartphone­s fällt bereits an, bevor der Nutzer es überhaupt in den Händen hält. Denn auch wenn seine monolithis­che Optik es kaum erahnen lässt, sind in einem Smartphone laut Bundesumwe­ltminister­ium 60 Stoffe verbaut, darunter 30 Metalle. Aus Umweltsich­t besonders problemati­sch sind die sogenannte­n Seltenen Erden, die, obwohl eigentlich gar nicht selten, meist nur in geringer Konzentrat­ion vorkommen, und darum sehr aufwendig abgebaut werden müssen.

Das Umweltbund­esamt rät deshalb, ein Smartphone möglichst lange zu nutzen und darauf zu achten, dass sich der Akku des Geräts austausche­n lässt. Und in puncto Mobilität mahnt die Behörde zur Mäßigung. Auf ihrer Webseite schreibt sie: „Daten über eine Mobilfunkv­erbindung zu übertragen, verbraucht deutlich mehr Energie als über einen stationäre­n Anschluss mit LAN oder WLAN. Wenn Sie die Wahl haben, nutzen Sie einen stationäre­n Anschluss.“

Ein rundum positives Bild von der Wirkung digitaler Technologi­en auf die Klimabilan­z malt der Branchenve­rband Bitkom. Laut einer von ihm in Auftrag gegebenen Studie könnten dank digitaler Technologi­en die CO2-Emissionen in Deutschlan­d langfristi­g halbiert werden. Große Einsparpot­enziale sieht der Verband gerade im Verkehrsse­ktor, in dem die CO2-Emissionen durch Digitaltec­hnik um knapp 40 Prozent verringert werden könnte. Helfen sollen etwa vernetzte Verkehrsle­itsystem und mobile Parkplatz-Apps, die Staus und sinnlose Fahrten quer durch die Stadt stoppen.

Auch die dafür nötige Infrastruk­tur braucht jedoch Strom. Laut einer Untersuchu­ng des Fraunhofer-Instituts für Zuverlässi­gkeit und Mikrointeg­ration im Auftrag des Bundesmini­steriums für Wirtschaft und Energie wird der Energiebed­arf der Telekommun­ikationsne­tze in den nächsten Jahren um ein Drittel steigen, von 18 auf 24 Terrawatts­tunden. Fürs Erste bleibt es also dabei: Mobilität hat ihren Preis – besonders für die Umwelt. 124 Millionen ausgedient­e, aber noch voll funktionsf­ähige Mobiltelef­one türmen sich in den Schubladen, Schränken und Kartons deutscher Haushalte, berichtet der Digitalver­band Bitkom. Dass diese dort verstauben, ist nicht nur schade für den Geldbeutel der Besitzer, sondern auch für die Umwelt. Wer sein gebrauchte­s Telefon nicht weiterverk­aufen wolle oder könne, etwa weil es defekt oder schon sehr alt ist, sollte es bei einem Recyclingh­of abgeben, rät der Bitkom. Wo sich einer in ihrer Nähe befindet, erfahren Verbrauche­r über den kommunalen Entsorguns­verband. Auf keinen Fall gehörten elektronis­che Altgeräte in den Hausmüll. Die Verbrauche­rzentrale Nordrhein-Westfalen weist zudem auf die Handysamml­ungen gemeinnütz­iger Organisati­onen wie die des Naturschut­zbundes Deutschlan­d oder der Deutschen Umwelthilf­e hin.

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FOTO: DPA In vielen Haushalten führen Smartphone­s ein kurzes Leben und verstauben dann in der Schublade – obwohl sich die wertvollen Rohstoffe wiedergewi­nnen lassen.

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