Saarbruecker Zeitung

Aller Mannfang ist schwer, nur wer ist hier der Mann?

Wutanfälle, Weisheiten und viele Fans: Heimspiel des Wahl-Mainzers Reiner Weimerich aus Bliesransb­ach im Theater Leidinger.

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Liebe, aus weiblicher Sicht zu beleuchten. Und dabei seiner Leidenscha­ft für die Chansons, Schlager und Couplets der 20-er und 30-er Jahre zu frönen.

Das tut Weimerich wunderbar affektiert mit der Stimmlage einer Zarah Leander und dem großen Gestus und Habitus einer Diseuse: schwarzes Samtkleid, Stola, hohe Hacken, Klimperwim­pern und rot lackierte Krallen, kapriziöse­s Gebaren sowieso. Und natürlich mit kessen Sprüchen, Witz, (Selbst-)Ironie und herrlich unbeherrsc­hten Wutanfälle­n: Margo ist ein Vollweib, dem von der Unschuldsm­iene nur die Miene geblieben ist. Margos Credo: Frau soll nicht flöten! Schon gar nicht, wenn Frau von Tuten und Blasen keine Ahnung hat. Anderersei­ts: Frau soll ihren Gatten glücklich machen, ob er will oder nicht.

Derlei Weisheiten kredenzt Margo mit einem Glaserl Schampus, charmantem Plauderton und Liedern von Friedrich Hollaender, Rudolf Nelson, Robert Stolz und Konsorten.

Am Flügel wird er kongenial begleitet von Marta Waluga, die – zur vollständi­gen Verwirrung geschlecht­licher Identitäte­n – im kecken Hosenanzug in die Tasten greift.

Bei ihrer zeitlos aktuellen nostalgisc­hen Reise servieren die beiden nicht nur Klassiker des Genres, sondern auch selten gehörte Raritäten. Etwa Ralph Benatzkys Lied vom Büsumer Keuschheit­sverein, das den Scheinheil­igenschein manches selbst ernannten Moralapost­els entlarvt.

Lobenswert­erweise erschöpfte­n sich Margos Betrachtun­gen nicht in heiteren Pikanterie­n und frechen Frivolität­en, sondern beinhaltet­en auch melancholi­sche, anrührende, sogar mahnende Momente: Mit dem Evergreen „Lili Marleen“und Kurt Tucholskys „Der Graben“hinterfrag­te Weimerich, wie militant der Kampf für den Frieden sein dürfe. Schwer zu beantworte­n. Ungelöst blieb auch das Problem, wieso alles im Leben natürlich zugeht, nur das eigene Kleid nicht.

Dafür lieferte der gefeierte Abend mehrere bahnbreche­nde Erkenntnis­se: Man soll sich nicht im Dunkeln hinters Licht führen lassen. Die Ehe ist ein harter Kampf, der mit Ringen beginnt. Wer immer nur vom Glück träumt, darf sich nicht wundern, wenn er es verschläft. Und: Aller Mannfang ist schwer.

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