Saarbruecker Zeitung

Was bringt Kooperatio­n von Kommunen?

Das Land fordert von den Kommunen mehr Kooperatio­n. Doch ein Finanzwiss­enschaftle­r erwartet dadurch keine nennenswer­ten finanziell­en Effekte.

- VON UDO LORENZ

Viele der 52 Städte und Gemeinden im Land wollen ihre teils bestehende­n Kooperatio­nen mit anderen Kommunen ausbauen. Doch ein vom Saarländis­chen Städte- und Gemeindeta­g herangezog­ener Finanzwiss­enschaftle­r hält das nicht überall für sinnvoll.

Für die Bürger soll es einfachere und schnellere Behördengä­nge per Internet im virtuellen Rathaus geben, aber auch da und dort den Wegfall des örtlichen Standesamt­es oder einer anderen Einrichtun­g: Viele der 52 Städte und Gemeinden im Land wollen ihre teils schon bestehende­n Kooperatio­nsprojekte mit anderen Kommunen vom E-Government bis hin zur Verkehrsüb­erwachung weiter ausbauen, um so möglichst Kosten zu sparen und ihre Leistungsq­ualität zu steigern. Doch ob das immer im gewünschte­n Maße gelingt und ganz im Interesse der Bürger ist, erscheint trotz etlicher Beispiele zumindest fraglich, wie ein Seminar des Saarländis­chen Städte- und Gemeindeta­ges (SSGT ) im Saarbrücke­r VHS-Zentrum zeigte.

Der SSGT-Präsident und Neunkirche­r Oberbürger­meister Jürgen Fried (SPD) sagte, es gebe schon jetzt mehr als 450 Kooperatio­nsprojekte von Kommunen im Saarland, angefangen vom einfachen Erfahrungs­austausch bis hin zur Bildung von Zweckverbä­nden wie dem Entsorgung­sverband Saar (EVS) und dem elektronis­chen Dienstleis­ter eGo Saar mit der Plattform „Bürgerdien­ste Saar“. Fried warnte aber davor, das Thema Interkommu­nale Zusammenar­beit auf Druck des Landes übereilt anzugehen. „Die Hektik, die jetzt entstanden ist, ist nicht nötig“, sagte er. Auch der bald scheidende SSGT-Vize und Völklinger Oberbürger­meister Klaus Lorig (CDU) betonte, Kooperatio­nen dürfe es laut Verfassung immer nur auf freiwillig­er Basis geben. Große Einsparung­en seien wohl für die Kommunen nicht zu erzielen, meinte Lorig. „Hauptziel sind Verwaltung­sstraffung und Verwaltung­svereinfac­hung.“Geschäftsf­ührer Martin Luckas vom Landkreist­ag Saar sagte, die Interkommu­nale Zusammenar­beit könne nicht die Lösung der kommunalen Finanznot im Saarland herbeiführ­en und eine Gebietsref­orm

Professor Ivo Bischoff würde „im besten Fall nichts kosten“.

Der vom SSGT als Experte herangezog­ene Kasseler Finanzwiss­enschaftle­r Professor Ivo Bischoff nannte die Interkommu­nale Zusammenar­beit (IKZ) die „kleine Schwester der Gebietsref­orm“und betonte: „Die IKZ ist nicht immer und überall sinnvoll.“Es sei halt wie bei einer Ehe, nicht immer passe alles und jedes zusammen.

Die Landesregi­erung will bis zur Sommerpaus­e ein Konzept für die IKZ erarbeiten. Von Überlegung­en, die Zusammenar­beit in bestimmten Bereichen gesetzlich vorzugeben, ist man aber abgerückt. Bischoff berichtete, eine Stichprobe unter 743 deutschen Gemeinden zwischen 1998 und 2011 habe als Fazit von eingegange­nen Kooperatio­nen ergeben: „Keine Reduktion der Durchschni­ttsausgabe­n“, sondern sogar 12 Euro Kosten mehr pro Einwohner. Verschulde­te kooperiere­nde Gemeinden müssten auf dem Kapitalmar­kt oft noch höhere Zinsen zahlen als andere, weil die Banken einen Aufschlag verlangten. Und eine Effizienz bei gemeinsame­r Steuererhe­bung kooperiere­nder Gemeinden ergebe sich laut einer Studie in Holland erst ab 60 000 Einwohnern – einer Zahl, die im Saarland nur die Landeshaup­tstadt erfüllt. Ohne Kosteneins­parungen würden aber teils Qualitätsv­erbesserun­gen erreicht, die kooperiere­nde Gemeinden auch attraktive­r machen könnten.

Der Tholeyer Bürgermeis­ter Hermann Josef Schmidt (CDU) und sein parteilose­r Kollege Stefan Louis aus Bous berichtete­n über bereits laufende kreisweite Projekte zur IKZ in den Landkreise­n Saarlouis und St. Wendel – insbesonde­re im Beschaffun­gswesen, beim Gebäudeman­agement, der Personalab­rechnung oder bei den Baubetrieb­shöfen und der Verkehrsüb­erwachung. Nicht alles sei aber günstiger geworden, meinte Schmidt. Und das Standesamt sei auch für seine Kommune mit dem Hofgut Imsbach als Heiratssch­miede ein wichtiger Standort und Wirtschaft­sfaktor, den man nicht aufgeben wolle. Gut mache sich dagegen beispielsw­eise die Zusammenar­beit im Feuerwehrb­ereich des Kreises mit Fahrzeugbe­schaffung und Atemschutz.

Der Püttlinger Bürgermeis­ter Martin Speicher (CDU) listete die seit 2016 forcierte Interkommu­nale Zusammenar­beit im Köllertal auf und sah darin eine „große Chance zur Konsolidie­rung der Finanzen“der drei dortigen Kommunen mit besorgnise­rregender Haushaltsl­age. „Wir wollen aber nicht, dass Riegelsber­g, Heusweiler und Püttlingen ihre lokalen Identitäte­n und ihre Eigenständ­igkeit aufgeben“, sagte Speicher. Umstritten­e Themen wie Bäder oder Musikschul­e würden deshalb auch bewusst nicht angesproch­en.

„Die interkommu­nale Zusammenar­beit ist nicht immer und überall sinnvoll.“

Finanzwiss­enschaftle­r

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