Saarbruecker Zeitung

Die Erzfeinde lassen die Waffen sprechen

Erstmals haben iranische Truppen israelisch­e Ziele auf den Golanhöhen angegriffe­n. Israels Luftwaffe schlägt hart zurück.

- VON SARA LEMEL UND JAN KUHLMANN Produktion dieser Seite: Fatima Abbas Christian Leistensch­neider

(dpa) Die alarmieren­den Berichte über einen massiven iranischen Raketenang­riff kommen kurz nach Mitternach­t. Auf den Golanhöhen lösen 20 Geschosse Alarmsiren­en aus, israelisch­e Einwohner werden aus ihren Betten geschreckt. Die Raketen zielen auf israelisch­e Militärpos­ten an der Grenzlinie zu Syrien. Doch keine schlägt letztlich auf israelisch kontrollie­rtem Gebiet ein: Vier werden abgefangen, der Rest landet auf der syrischen Seite des strategisc­h wichtigen Felsplatea­us, das Israel 1967 erobert hat. Die Reaktion der israelisch­en Luftwaffe hat dagegen verheerend­e Folgen – in Syrien werden laut Menschenre­chtlern mehr als 20 Menschen bei massiven Angriffen auf über 50 iranische Ziele getötet.

„Wir haben fast die gesamte iranische Infrastruk­tur in Syrien getroffen“, sagt Isreals Verteidigu­ngsministe­r Avigdor Lieberman. Nach Medienberi­chten sind es die schwersten Angriffe Israels in Syrien seit dem Jom-Kippur-Krieg 1973. Die Eskalation kommt einen Tag nach der Ankündigun­g von US-Präsident Donald Trump, im Alleingang aus dem Atomabkomm­en mit dem Iran auszusteig­en.

Für einen Angriff iranischer Streitkräf­te auf dem Golan hatte Israels Militär sich schon gewappnet – der Geheimdien­st hatte „verdächtig­e Aktivitäte­n“iranischer Streitkräf­te in dem nördlichen Nachbarlan­d identifizi­ert. Teheran baut seine militärisc­hen Kapazitäte­n in Syrien immer weiter aus. Israel versucht, den Erzfeind mit gezielten Luftangrif­fen davon abzuhalten. Nach iranischen Verlusten bei jüngsten Attacken hatte Teheran Vergeltung geschworen.

Nun könnte der Iran erneut versuchen, anzugreife­n. Israel würde dann wieder zurückschl­agen, und so könnte der Konflikt sich schnell hochschauk­eln. Der Iran ist im syrischen Bürgerkrie­g neben Russland der wichtigste Verbündete der Regierung in Damaskus.

Riad Tabara, der frühere libanesisc­he Botschafte­r in Washington, schätzt das Risiko für einen größeren Krieg allerdings als eher gering ein. „Die Attacken beschränke­n sich gegenwärti­g auf einen Schlagabta­usch“, sagte Tabara. „Die Hisbollah-Miliz bräuchte grünes Licht vom Iran, der Iran von Russland und Israel von den USA, um einen allumfasse­nden Krieg zu führen.“Daran hätten gegenwärti­g aber weder Russland noch die USA ein Interesse.

Israel macht die Al-Kuds-Brigaden, Eliteeinhe­it der iranischen Revolution­sgarden, und ihren Kommandeur Ghassem Sulejmani verantwort­lich für die Attacke auf die Golanhöhen. Sulejmani genießt unter Anhängern des syrischen Präsidente­n Baschar al-Assad einen legendären Ruf. Er ist das Gesicht Teherans, das im Bürgerkrie­g bejubelt wird. Der Iran nutzt in Syrien vor allem die libanesisc­he Schiitenmi­liz Hisbollah als kampferpro­bte Truppe, die an der Seite der Armee und anderer Milizen kämpft. Ohne Hilfe aus dem Iran hätte Assad seine Macht wohl längst verloren.

Syriens Opposition spricht sogar davon, dass das Land von iranischen Truppen „besetzt“sei. Für den Iran geht es darum, einen strategisc­h wichtigen Landkorrid­or zu halten, der vom Libanon am Mittelmeer über Syrien und den Irak bis nach Teheran reicht – eine Route, über die vergleichs­weise einfach Waffen und Truppen transporti­ert werden können. Generell sichert sich Teheran über Iran-treue Truppen starken Einfluss in der Region. Ein ranghoher israelisch­er Regierungs­vertreter nennt die Zahl von rund 70 000 schiitisch­en Milizionär­en in Syrien.

Doch haben der Iran und die Hisbollah ein Interesse an einem Krieg mit Israel? Militärisc­h könnten sie diesen kaum gewinnen. Die Hisbollah ist durch die Kämpfe in Syrien geschwächt. Beobachter gehen auch davon aus, dass die Miliz nach ihrem Erfolg bei der libanesisc­hen Parlaments­wahl vergangene Woche derzeit kein Risiko eingehen will. Dennoch hat sie an der Grenze zu Israel ihre Truppen in Alarmberei­tschaft versetzt.

Auch diplomatis­ch wäre eine Konfrontat­ion mit Israel gegenwärti­g ungünstig für Teheran. Sie könnte den iranischen Bemühungen um eine Rettung des Atomdeals schwer schaden. Denn der Iran ist auf das Wohlwollen Deutschlan­ds, Großbritan­niens und Frankreich­s angewiesen, die den Vertrag weiter erfüllen wollen.

 ?? FOTO: AFP/ CENTRAL WAR MEDIA ?? „Kriegsrepo­rt aus Syrien/Damaskus“: Das syrische Staatsfern­sehen zeigt, wie Syriens Verteidigu­ngssysteme israelisch­e Geschosse abfangen.
FOTO: AFP/ CENTRAL WAR MEDIA „Kriegsrepo­rt aus Syrien/Damaskus“: Das syrische Staatsfern­sehen zeigt, wie Syriens Verteidigu­ngssysteme israelisch­e Geschosse abfangen.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany