Die Erzfeinde lassen die Waffen sprechen
Erstmals haben iranische Truppen israelische Ziele auf den Golanhöhen angegriffen. Israels Luftwaffe schlägt hart zurück.
(dpa) Die alarmierenden Berichte über einen massiven iranischen Raketenangriff kommen kurz nach Mitternacht. Auf den Golanhöhen lösen 20 Geschosse Alarmsirenen aus, israelische Einwohner werden aus ihren Betten geschreckt. Die Raketen zielen auf israelische Militärposten an der Grenzlinie zu Syrien. Doch keine schlägt letztlich auf israelisch kontrolliertem Gebiet ein: Vier werden abgefangen, der Rest landet auf der syrischen Seite des strategisch wichtigen Felsplateaus, das Israel 1967 erobert hat. Die Reaktion der israelischen Luftwaffe hat dagegen verheerende Folgen – in Syrien werden laut Menschenrechtlern mehr als 20 Menschen bei massiven Angriffen auf über 50 iranische Ziele getötet.
„Wir haben fast die gesamte iranische Infrastruktur in Syrien getroffen“, sagt Isreals Verteidigungsminister Avigdor Lieberman. Nach Medienberichten sind es die schwersten Angriffe Israels in Syrien seit dem Jom-Kippur-Krieg 1973. Die Eskalation kommt einen Tag nach der Ankündigung von US-Präsident Donald Trump, im Alleingang aus dem Atomabkommen mit dem Iran auszusteigen.
Für einen Angriff iranischer Streitkräfte auf dem Golan hatte Israels Militär sich schon gewappnet – der Geheimdienst hatte „verdächtige Aktivitäten“iranischer Streitkräfte in dem nördlichen Nachbarland identifiziert. Teheran baut seine militärischen Kapazitäten in Syrien immer weiter aus. Israel versucht, den Erzfeind mit gezielten Luftangriffen davon abzuhalten. Nach iranischen Verlusten bei jüngsten Attacken hatte Teheran Vergeltung geschworen.
Nun könnte der Iran erneut versuchen, anzugreifen. Israel würde dann wieder zurückschlagen, und so könnte der Konflikt sich schnell hochschaukeln. Der Iran ist im syrischen Bürgerkrieg neben Russland der wichtigste Verbündete der Regierung in Damaskus.
Riad Tabara, der frühere libanesische Botschafter in Washington, schätzt das Risiko für einen größeren Krieg allerdings als eher gering ein. „Die Attacken beschränken sich gegenwärtig auf einen Schlagabtausch“, sagte Tabara. „Die Hisbollah-Miliz bräuchte grünes Licht vom Iran, der Iran von Russland und Israel von den USA, um einen allumfassenden Krieg zu führen.“Daran hätten gegenwärtig aber weder Russland noch die USA ein Interesse.
Israel macht die Al-Kuds-Brigaden, Eliteeinheit der iranischen Revolutionsgarden, und ihren Kommandeur Ghassem Sulejmani verantwortlich für die Attacke auf die Golanhöhen. Sulejmani genießt unter Anhängern des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad einen legendären Ruf. Er ist das Gesicht Teherans, das im Bürgerkrieg bejubelt wird. Der Iran nutzt in Syrien vor allem die libanesische Schiitenmiliz Hisbollah als kampferprobte Truppe, die an der Seite der Armee und anderer Milizen kämpft. Ohne Hilfe aus dem Iran hätte Assad seine Macht wohl längst verloren.
Syriens Opposition spricht sogar davon, dass das Land von iranischen Truppen „besetzt“sei. Für den Iran geht es darum, einen strategisch wichtigen Landkorridor zu halten, der vom Libanon am Mittelmeer über Syrien und den Irak bis nach Teheran reicht – eine Route, über die vergleichsweise einfach Waffen und Truppen transportiert werden können. Generell sichert sich Teheran über Iran-treue Truppen starken Einfluss in der Region. Ein ranghoher israelischer Regierungsvertreter nennt die Zahl von rund 70 000 schiitischen Milizionären in Syrien.
Doch haben der Iran und die Hisbollah ein Interesse an einem Krieg mit Israel? Militärisch könnten sie diesen kaum gewinnen. Die Hisbollah ist durch die Kämpfe in Syrien geschwächt. Beobachter gehen auch davon aus, dass die Miliz nach ihrem Erfolg bei der libanesischen Parlamentswahl vergangene Woche derzeit kein Risiko eingehen will. Dennoch hat sie an der Grenze zu Israel ihre Truppen in Alarmbereitschaft versetzt.
Auch diplomatisch wäre eine Konfrontation mit Israel gegenwärtig ungünstig für Teheran. Sie könnte den iranischen Bemühungen um eine Rettung des Atomdeals schwer schaden. Denn der Iran ist auf das Wohlwollen Deutschlands, Großbritanniens und Frankreichs angewiesen, die den Vertrag weiter erfüllen wollen.