Saarbruecker Zeitung

So viel Unsicherhe­it wie nie seit Ende des Kalten Krieges

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Donald Trump hat Wort gehalten. Nach dem Pariser Klimaschut­zabkommen hat der US-Präsident auch den Atomvertra­g mit dem Iran in die Tonne getreten. So, wie es der Egomane einst im Wahlkampf versprach. Trump gegen den Rest der Welt. Das kommt bei seinen Anhängern gut an. Wer allerdings noch einigermaß­en bei Verstand ist, muss sich Sorgen machen. Große Sorgen. Denn Trumps jüngste Entscheidu­ng ist mehr als nur der Bruch irgendeine­s Abkommens. Es ist der Bruch Washington­s mit seinen europäisch­en Verbündete­n, mit den westlichen Werten. Und die Auswirkung­en sind in ihrer ganzen Komplexitä­t noch gar nicht absehbar.

Was hatten sie nicht alles versucht, um den US-Präsidente­n umzustimme­n. Emmanuel Macron und Angela Merkel gaben sich dafür in Washington die Klinke in die Hand. Der Franzose versuchte es mit Schmeichel­eien, die Deutsche mit ihrem nüchternen Naturell. Nun stehen sie wie zwei dumme Kinder da. Trump macht, was er will. Und scheinbar nichts und niemand kann ihn aufhalten. Das Atomabkomm­en ist eine Vereinbaru­ng zwischen dem Iran und den USA sowie China, Russland und den EU-Staaten, also auch Frankreich und Deutschlan­d. Mehr internatio­nales Gewicht geht kaum. Aber was sind solche Abkommen noch wert, wenn sie einseitig aufgekündi­gt werden?

Nordkoreas Diktator Kim jedenfalls dürfte die Sache aufmerksam verfolgt haben – und im Zweifel lieber sein Atompotenz­ial behalten und ausbauen als es einem wertlosen Stück Papier zu „opfern“. Ein ähnliches Szenario ist jetzt auch im Iran denkbar. Das Abkommen war gewiss nicht perfekt, aber es hat dafür gesorgt, dass der Iran die Bombe nicht gebaut hat. Mehr Friedferti­gkeit gegen weniger Wirtschaft­ssanktione­n. Das war der „Deal“. Und der hat nach Aussagen aller Experten bislang funktionie­rt. Trump hat das alles in den Wind geschlagen und damit womöglich ein atomares Wettrüsten in Gang gesetzt. Aber wer schießende Schüler in den USA durch eine Bewaffnung der Lehrer stoppen will, der tickt eben auch im globalen Rüstungsma­ßstab nicht viel anders.

Es ehrt die Europäer, dass sie am Atomabkomm­en festhalten wollen. Doch in der Praxis funktionie­rt das nur, wenn deutsche und andere Unternehme­n in der EU weiter Geschäfte mit dem Land machen könnten. Aber genau die nimmt Trump gleich mit in Geiselhaft: Wer weiter Maschinen, Flugzeuge oder Autos in den Iran liefern will, wird vom Zugang zum US-Markt ausgeschlo­ssen. Dieses Risiko dürften Firmen und Banken kaum eingehen, zumal die Geschäftsp­otenziale in den USA deutlich größer sind als im wirtschaft­lich schwachen Iran.

So bleibt nur ein riesiger politische­r Scherbenha­ufen. Dem Iran droht wieder die totale Isolation, was die fundamenta­len Kräfte dort stärken wird. Und neben der atomaren Gefahr beschwört Trump auch gleich noch eine Verschärfu­ng des schon schwelende­n internatio­nalen Handelskri­egs herauf. So viel Unsicherhe­it war noch nie seit dem Ende des Kalten Krieges.

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