Fünf Tage mit wenig Atmosphäre
Im Theater am Ring in Saarlouis ist das zweite Tanzfestival Saar am Dienstag mit Emanuel Gat Dance zu Ende gegangen. Das solide, größtenteils spannende Programm konnte aber die fehlende Atmosphäre nicht wettmachen.
Häuser erwarten, aber ein bisschen mehr Resonanz hätte es generell sein dürfen.
Wie ungemein gut sinnliche Salsa zu Strawinskys expressiver, stampfender Musik passt, zeigten drei Tänzerinnen, die sich zwei Tänzer sozusagen „teilten“: Im schnellen Wechsel wirbelten die beiden Männer die Frauen quasi der Reihe nach durch. Diejenige, die gerade keinen Tanzpartner hatte, führte die Salsa-Schritte einfach weiter – bis sie wieder dran war. Ein großes Vergnügen! Und Staunen über diese in weiten Teilen verspielte, irgendwie karibisch-leichte „Sacre“-Version. Doch auch hier gibt es – wie beim Original – dramatische Soli und am Ende ein Opfer: Statt der Jungfrau, die von ihrem Stamm dem Frühlingsgott geopfert wird und sich tot tanzen muss, ist es bei Emanuel Gat eine der drei Tänzerinnen, die am Ende keinen Tanzpartner mehr abbekommt und erschöpft darnieder sinkt. Wie das Opfer auf dem Abschlussball. Erinnern Sie sich?
Neuen Gegebenheiten am Staatstheater zum Opfer gefallen schien irgendwie auch Ballettchef Stijn Celis. Statt wie es sich für einen Festivalchef gehört, in vorderster Reihe Präsenz zu zeigen, war Celis nicht nur an diesem Abend weitgehend unsichtbar. Schon zur Eröffnung des Festival in der Alten Feuerwache in Saarbrücken war er nicht mit Intendant Bodo Busse auf der Bühne erschienen. In Saarlouis nun konnte man ihn weit hinten auf dem Rang ausmachen. Wenigstens zum Finale seines atmosphärisch leider wenig inspirierenden Festivals hätte man erwartet, dass Celis ein paar Worte an das Publikum richten würde. Fehlanzeige. Stattdessen übernahm, wie an den Abenden zuvor, Klaus Kieser. Das fiel auch dem Publikum auf. Irritierte Nachfragen. „Was ist hier los?“– hörte man es in der Pause raunen. „Und wer ist Klaus Kieser?“– wollten nicht wenige Zuschauer wissen, mit denen wir gesprochen haben. Er ist Celis’ rechte Hand und hat das Festival mitgestaltet.
An diesem sommerlichen Abend, der nach Apérol-Spritz und Party duftete, wäre die Sacre-Salsa-Show ein wunderbar inspirierender Auftakt zu einem schönen Abschluss-Tanzabend gewesen, den sich viele Besucher gewünscht hätten. Doch von Festival-Atmosphäre fehlte leider jede Spur. Den „Club“hatte man eher lieblos im Weinhaus Hauck in der Alten Feuerwache platziert, wo sich die Leute ohnehin nach den Vorstellungen treffen. Feiern mit der Compagnie und den Gast-Tänzern? – Es gab keine Gelegenheit. Ein guter DJ, der auch das junge Publikum interessiert, für das es ja Angebote im Programm gab (vor allem Abou Lagraas „La Baraka“-Compagnie mit ihren Hiphoppern)? Nichts. Drei Workshops standen im Programm, darunter der Montags-Workshop mit Saarbrücker Tänzern, den es eigentlich seit Jahren gibt, der aber mangels Werbung eingeschlafen ist. Man habe eben lieber Geld in die Qualität der Gastspiele gesteckt, verteidigte Klaus Kieser das Konzept.
Ein Programm kann noch so gut sein – wenn die Leute nach Hause gehen mit dem Gefühl, das etwas fehlt, kann man nicht von einem Erfolg sprechen. Wer in diesen fünf Festival-Tagen mit offenen Ohren durch die Theatergänge schlenderte und mit dem Publikum ins Gespräch kam, erlebte wenig Euphorie und den vielfachen Wunsch nach mehr Atmosphäre.
Dass es in der Tanzsparte knirscht, war nach dem letzten Abend nicht mehr zu übersehen. Stijn Celis trafen wir am Dienstagabend dann doch noch vor der Tür des Theaters am Ring. Wieso sind Sie so wenig präsent, fragten wir ihn. „Man hat mich nicht gebeten zu reden“, sagte er zerknirscht. Warum? Die Antwort bleibt offen.