Trotz Cannes: Regisseur unter Hausarrest
„Leto“läuft beim Festival ohne den russischen Filmemacher. Putin hätte gerne geholfen – sagt Putin.
(epd/dpa) Die Zeichen der Krise sind noch erkennbar, aber mit Festivalbeginn wurde deutlich, wie Cannes in Zeiten von #Metoo auf seinem Status als „wichtigstes Filmfestival der Welt“bestehen will. Zwar muss der Eröffnungsfilm, Asghar Farhadis „Everybody Knows“als Enttäuschung verbucht werden, aber die Auftritte der diesjährigen Jury-Präsidentin Cate Blanchett waren markant. Die australische Schauspielerin gibt mit selbstbewussten Statements nicht nur ein gutes Aushängeschild ab gegen den ewigen Vorwurf, dass in Cannes zu selten Frauen das Sagen hätten; sie erweist sich auch als glänzende Verteidigerin des Kinos als Kunstform. „Es geht hier nicht um den Friedensnobelpreis, sondern um die Goldene Palme“, war eine ihrer Antworten auf die Frage, ob die Jury die politisch aufgeladene Situation einiger Filme und ihrer Regisseure berücksichtigen werde.
Der Eröffnungsfilm „Everybody Knows“von Asghar Farhadi bot mit seinen Stars Javier Bardem und Penelope Cruz leider in erster Linie gutes Futter für die Fotografen am Roten Teppich. Der Regisseur („Nader und Simin – Eine Trennung“) versucht in „Everybody Knows“sein Talent für gut erzählte Gesellschaftsporträts nach Spanien zu übertragen. Cruz spielt die verlorene Jugendliebe von Bardem, die für eine Hochzeit aus Argentinien zurück in ihr Heimatdorf kommt. Man folgt den Figuren mit Sympathie, aber die Handlung wirkt überkonstruiert, die Inszenierung mit viel Sonne und Dorfszenen eine Spur zu folkloristisch.
Der Film „Leto“lief in Cannes ohne seinen Regisseur, den Russen Kirill Serebrennikow. Er steht in seiner Heimat unter Hausarrest und durfte nicht nach Südfrankreich ausreisen. Ihm wird Korruption vorgeworfen, was der 48-Jährige vehement bestreitet. Das Festival hatte sich zwar bei Präsident Wladimir Putin darum bemüht, dass Serebrennikow doch zur Premiere am Mittwochabend kommen konnte – ohne Erfolg. Stattdessen nutzte sein Team die Aufmerksamkeit für Proteste. Das Filmfest erklärte, es habe über das französische Außenministerium bei Putin um die Ausreise Serebrennikows gebeten. Putin habe mitteilen lassen, er hätte gerne geholfen. „Doch Russlands Justizsystem ist unabhängig“, zitierte das Filmfest Putin.
„Leto“schnitt der Filmemacher während des Hausarrests; er thematisiert in poetischen, schwarz-weißen Bildern die wahre Geschichte einer musikalischen Gegenbewegung im Leningrad Anfang der 80er Jahre – energetisch zwischen Punk und Rock, atmosphärisch und packend.