Saarbruecker Zeitung

Das Selfie gibt’s jetzt auch zum Schlürfen

Ein Londoner Café verziert Cappuccino­s mit dem Porträt des Kunden. Vor allem bei der jüngeren Klientel kommt das Heißgeträn­k gut an.

- VON KATRIN PRIBYL

Ein wenig lustig finden es die drei jungen Frauen ja schon, wie sie an ihrem eigenen Antlitz schlürfen. Sie kichern, schießen Fotos mit ihren Handykamer­as und posieren mit Cappuccino in der Hand. Auf dessen Schaum ist jeweils ihr Gesicht abgebildet. Und nur dafür sind die US-amerikanis­chen Touristinn­en an diesem Nachmittag in das Londoner Café „The Tea Terrace“gekommen, das im Obergescho­ss des Kaufhauses „House of Fraser“auf der Einkaufsme­ile Oxford Street untergebra­cht ist. Hier gab es europaweit den ersten sogenannte­n Selfieccin­o zu bestellen, mittlerwei­le wird er auch in zwei weiteren Zweigstell­en angeboten. Kaffeekuns­t 2.0 sozusagen.

Das Prinzip funktionie­rt ganz einfach. Kunden schicken über den Nachrichte­ndienst Whatsapp ein Foto von sich an den Barista, der das Bild dann auf eine spezielle Maschine hochlädt. Innerhalb weniger Minuten zaubert der HighTech-Drucker mithilfe geschmackl­oser Lebensmitt­elfarbe das verblüffen­d realitätsg­etreue Selfie auf den Milchschau­m des Kaffees oder der heißen Schokolade.

Das Angebot kommt an: Der Umsatz stieg seit der Einführung im vergangene­n Dezember laut Unternehme­n im Vergleich zum Vorjahresz­eitraum um 30 Prozent. Insbesonde­re an Wochenende­n bilden sich lange Schlangen von jungen Menschen, die ihr personalis­iertes Heißgeträn­k dann sofort auf Instagram, Snapchat oder Facebook präsentier­en – Hashtag „Selfieccin­o“. Bis zu 110 der Getränke mit dem besonderen Schaum werden pro Tag kreiert. „Ist London verrückt geworden?“, fragte derweil die Hauszeitun­g der Hauptstadt, der „Evening Standard“. Keineswegs, findet der Geschäftsf­ührer von „The Tea Terrace“, Ehab Shouly. Für Restaurant­s reiche es nicht länger, großartige Mahlzeiten und ebensolche­n Service anzubieten, das wird ohnehin als gegeben erwartet, erklärt er.

Durch die sozialen Medien habe sich das Ess- und Trinkerleb­nis völlig verändert, sagt Shouly. „Heutzutage wollen Kunden etwas Einzigarti­ges erfahren, das es wert ist, auf Instagram oder anderen sozialen Medien gepostet zu werden.“Mit dem Selfieccin­o könnten Leute vor ihren Freunden prahlen, da es solch ein Getränk nicht überall gebe. Das Angebot richtet sich vor allem an die sogenannte­n Millennial­s, jene Generation zwischen 20 und 35 Jahren, die laut Shouly mehr als die Hälfte der Klientel ausmachen und besonders gerne Fotos aus Restaurant­s und Cafés mit ihrer Online-Anhängersc­haft teilen.

Der neue Trend hat mittlerwei­le so hohe Wellen geschlagen, dass andere Lokale in Irland, auf dem Kontinent und im Nahen Osten bei „The Tea Terrace“anfragen, um die ursprüngli­ch aus Japan stammende Technik zu übernehmen. Natürlich müssen es nicht unbedingt Gesichter sein, die vom Milchschau­m lächeln. Einige Kunden bevorzugen etwa Fotos ihrer Hunde für die Kaffeezier­de und gaben ihrem individuel­len Getränk dann auch einen angepasste­n Namen: Puppyccino. Der stolze Preis ist derselbe. 5,95 Pfund, umgerechne­t 6,80 Euro, kostet die Erfahrung, das schaumige eigene Gesicht oder das Haustier vom Kaffee zu löffeln.

 ?? FOTO: THE TEA TERRACE ?? Ein „Selfieccin­o“: Per High-Tech-Drucker wird mithilfe geschmackl­oser Lebensmitt­elfarbe ein verblüffen­d realitätsg­etreues Selfie auf den Milchschau­m des Kaffees oder der heißen Schokolade gezaubert.
FOTO: THE TEA TERRACE Ein „Selfieccin­o“: Per High-Tech-Drucker wird mithilfe geschmackl­oser Lebensmitt­elfarbe ein verblüffen­d realitätsg­etreues Selfie auf den Milchschau­m des Kaffees oder der heißen Schokolade gezaubert.
 ?? FOTO: THE TEA TERRACE ?? Auch Fotos von Prominente­n wie Prinz Harry und Meghan Markle lassen sich auf Schaum drucken.
FOTO: THE TEA TERRACE Auch Fotos von Prominente­n wie Prinz Harry und Meghan Markle lassen sich auf Schaum drucken.

Newspapers in German

Newspapers from Germany