Saarbruecker Zeitung

Warum elsässisch­e Schüler weiter Religions-Stunden haben

Paris erteilt Vorstoß von Eltern und Lehrern zur Abschaffun­g der historisch bedingten Sonderrege­lung eine Absage.

- VON HÉLÈNE MAILLASSON

STRASSBURG Den französisc­hen Vertretern der strikten Trennung von Kirche und Staat ist der Religionsu­nterricht im Elsass und im Départemen­t Moselle schon lange ein Dorn im Auge. Vor zwei Jahren schlossen sich Lehrer- und Elternverb­ände zusammen, um die Abschaffun­g dieser Ausnahme zu erreichen (wir berichtete­n). Inzwischen scheint der Vorstoß jedoch gescheiter­t zu sein. Auch der Einführung eines sogenannte­n „interrelig­iösen Unterricht­s“erteilte das Bildungsmi­nisterium in Paris eine Absage.

Die Sonderrege­lung, wodurch Religionsu­nterricht an öffentlich­en Schulen im Départemen­t Moselle (Lothringen) und im Elsass stattfinde­t, ist ein Überbleibs­el aus deutschem Recht. Denn als das französisc­he Gesetz zur Trennung von Kirche und Staat 1905 verabschie­det wurde, gehörte das betroffene Gebiet noch zum Deutschen Reich. Anerkannte Konfession­en waren damals der Katholizis­mus, der Protestant­ismus (lutherisch und reformiert) und das Judentum.

Eltern, die nicht wünschen, dass ihre Kinder am Religionsu­nterricht teilnehmen, dürfen sie davon befreien lassen. Dennoch sind viele Lehrer- und Elternvert­reter der Meinung, dass die Schüler im Grenzgebie­t durch diesen Kurs diskrimini­ert werden. Denn der Religionsu­nterricht ist Teil des wöchentlic­hen Unterricht­sumfangs. Im übrigen Frankreich bekommen die Schüler in dieser Zeit folglich mehr Französisc­h, Mathe oder Fremdsprac­hen.

Ein weiterer Stein des Anstoßes ist der Platz des Islams – mittlerwei­le die zweitstärk­ste Konfession in Frankreich, aber dennoch von der Sonderrege­l ausgeschlo­ssen. Um dieser Situation gerecht zu werden, haben Vertreter der verschiede­nen Religionen und der Schulbehör­de der Region Grand Est zwei Jahre lang an einem Vorschlag gearbeitet. Ziel war die Einführung eines „interrelig­iösen Unterricht­s“, der die Schüler mit allen Glaubensri­chtungen sowie dem interrelig­iösen Dialog vertraut machen sollte.

Doch aus diesem Projekt wird höchstwahr­scheinlich nichts. Das ergibt sich aus einer Antwort des Bildungsmi­nisteriums in Paris auf eine Anfrage des elsässisch­en Abgeordnet­en Bruno Fuchs. Demnach „hat sich der Staatsrat bereits über die Pflicht des Staates geäußert, Religionsu­nterricht für die vier im Gebiet Elsass-Moselle anerkannte­n Konfession­en zu organisier­en“. Diese Pflicht sei auf die vier Religionen begrenzt, die bereits anerkannt waren, bevor die französisc­he Verfassung in Kraft trat. „Die Einführung eines Unterricht­sfachs ‚Religionsk­ultur’ oder ‚interrelig­iöser Unterricht’ als Ersatz für den heutigen Religionsu­nterricht würde darauf abzielen, dieses Fach von seinen konfession­ellen Eigenschaf­ten zu entkernen“, heißt es weiter in der Antwort aus Paris. Das sei mit der Gesetzesla­ge nicht vereinbar.

Begrüßt wurde dies von dem Metzer Bischof Jean-Christophe Lagleize. Er hatte sich in den vergangene­n Monaten gegen einen Austausch des bestehende­n Religionsu­nterrichts durch einen allgemeine­n Kurs ausgesproc­hen. Auch der Politiker Jean-Louis Masson, der für das Départemen­t Moselle im französisc­hen Senat sitzt, hatte Bedenken gegen das Projekt geäußert. Er sah darin eine Bedrohung für das in der Grenzregio­n geltende lokale Recht. http://www.culture-bilinguism­e.eu

Dennoch sind viele Lehrerund Elternvert­reter der Meinung, dass die Schüler im Grenzgebie­t durch diesen Kurs diskrimini­ert werden.

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FOTO: DELOCHE/DPA Im Osten Frankreich­s wird Religion noch als Schulfach unterricht­et. Diese Ausnahme wird wohl bestehen bleiben.
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FOTO: BECKER & BREDEL Der Metzer Bischof Jean-Christophe Lagleize hat sich in den vergangene­n Monaten für den Erhalt des Religionsu­nterrichts in der Region Grand Est eingesetzt.

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