Zwischen Tradition und Moderne
Das Drama „Kirschblüten und rote Bohnen“stellt gesellschaftliche Tabus infrage.
SAARBRÜCKEN (ry) Sentaro (Masatoshi Nagase) betreibt lustlos einen kleinen Imbiss für Dorayaki – mit einer süßen Bohnenpaste gefüllte Pfannkuchen –, der mehr schlecht als recht läuft. Doch alles ändert sich, als Tokue (Kirin Kiki) sich bei ihm bewirbt. Sentaro will der alten, gehandicapten Frau eigentlich absagen, doch als er die von ihr zubereitete süße Bohnenpaste kostet, lässt er sich umstimmen.
Tokue führt Sentaro in die Kunst der Zubereitung ein, die vor allem aus Sorgfalt, Liebe zu den Produkten und Wertschätzung der Arbeit besteht. Für Sentaro ist dies eine neue Welt, denn er betreibt den Kiosk nur, um alte Schulden zurückzuzahlen: Als Wiedergutmachung für ein von ihm begangenes Verbrechen arbeitet er nun für die Familie, die sein Schmerzensgeld bezahlt hat.
Durch Tokues Paste beginnt der Imbiss zu laufen. Das bekommt auch das Schulmädchen Wakana (Kyara Uchida) zu spüren, das sich im Imbiss Reste holt. Sentaro und Tokue werden für sie, deren alleinerziehende Mutter rastlos auf der Suche nach einer neuen Liebe ist, mehr und mehr zum Familienersatz. Als allerdings bekannt wird, dass Tokues deformierte Hände von einer auskurierten Lepraerkrankung herrühren, bleiben die Kunden aus, und die Imbiss-Besitzerin zwingt Sentaro dazu, seine Angestellte zu entlassen. Dennoch wollen er und Wakana ihr weiterhin beistehen.
Wie in den Filmen der japanischen Altmeister Ozu Yasujiro und Mizoguchi Kenji geht es in dem Drama um den Verlust der traditionellen japanischen Werte in der Moderne. Die Regisseurin Naomi Kawase hat es geschafft, universelle Themen wie Schuld, den Wert des Einzelnen in der Gesellschaft sowie den Konflikt zwischen Tradition und Moderne sowohl mit viel Tiefe, aber gleichwohl mit Humor zu erzählen. Ein emotional anrührender und zugleich heiterer Film ist entstanden.
Mit „Kirschblüten und rote Bohnen“hat Kawase zum ersten Mal Kritiker und ein breites Publikum begeistert. Stärker als ihre vorangegangenen Filme ist er von der Tradition des japanischen Melodrams geprägt, das von einfachen Leuten und ihren bescheidenen Träumen erzählt. Ganz auf seine charismatischen Figuren konzentriert, erzählt der Film amüsant und unaufgeregt von ihrer Sehnsucht nach einem Platz in der Gesellschaft.
Beim Festival von Cannes, wo Kawases Werke häufig zu sehen sind und wo die Filmemacherin 2007 für „Der Wald der Trauer“den „Großen Preis der Jury“erhalten hat, lief das Drama als Eröffnungsfilm des „Un Certain Regard“.
Kirschblüten und rote Bohnen, 20.15 Uhr, ARTE