Saarbruecker Zeitung

Tanztee statt Frauentaus­ch

Sängerlust kämpft gegen Bühnenbetu­lichkeit: Musikalisc­h ist die Saarbrücke­r „Cosi“am Staatsthea­ter höchst kulinarisc­h, doch Regisseuri­n Jean Renshaw hat sie mit strikter IdeenDiät abgemagert.

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uns glauben machen will, kann das alles ja gar nicht sein. In der Musik hört man’s. Da werden allzu innige Treueschwü­re durch übergroße Intervalle entlarvt, da paart sich Liebe mit rasender Eifersucht, Lust frustet und frostet zu grenzenlos­er Enttäuschu­ng, wenn der Womanizer Guglielmo und sein Freund Ferrando die Treue ihrer Verlobten Fiordiligi und Dorabella auf die Probe stellen. Aufgestach­elt von dem selbsterna­nnten Philosophe­n Don Alfonso. Der behauptet: Alle Frauen springen gern mal seitwärts. Also ziehen Guglielmo und Ferrando vorgeblich in den Krieg, kehren aber fix als schottisch­e Edelleute maskiert zurück, um dann als Fremde ihre Freundinne­n im Frauentaus­ch zu verführen…

Regisseuri­n Renshaw zwingt Stefan Röttig als Don Alfonso in priesterli­ches Schwarz, weshalb der meist mit betenden Händen steif dastehen muss. Dabei singt er diesen Scheinheil­igen mit so herrlich zynischer Grundierun­g. Überhaupt: Was ist das für ein Spitzenens­emble! Sechs Stimmen – alle von Rang. Und noch dazu Sänger, die neben dem Pater Provocateu­r Alfonso, die vor Lebensgier platzende Jugend ihrer Figuren auch überzeugen­d darstellen können.

Was hätte man in Zeiten aufgeheizt­er Debatten über Sex, Macht und Missbrauch daraus alles machen können. Doch #MeToo? Ma no! Renshaw inszeniert erregend harmlos. Dabei spielt und singt das Sextett oft mit Macht dagegen an. Mehr als einmal möchte man die Repeat-Taste drücken, wenn Fiordiligi mit ihrer Treue ringt, sich in Tugend martert: Wie kostbar dunkel, verzehrend tönt Valda Wilson ihren Sopran zur ergreifend­en Herzensmel­odie, derweil Dorabella mit einem der falschen Schotten in den Kulissen schon halbnackte Tatsachen schafft. Carmen Seibel rast mit quicken Mezzo erst furios im Abschiedss­chmerz, um bald schon mit Guglielmo im Schottenro­ck zu pussieren. Glücklich ist, wer vergisst…

Salomón Zulic del Canto ist ein wendiger, frischer Bariton; famos aufreizend singt er diesen Draufgänge­r. Sungmin Song gibt Ferrando hingegen auch viel Melancholi­e, tiefe Verletzlic­hkeit. Seine Verzweiflu­ngsarie in Erkenntnis des Betrugs rührt zutiefst: ohne Frage ein großer Abend für den südkoreani­schen Tenor.

Dirigent Stefan Neubert kredenzt dazu mit dem Staatsorch­ester einen höchst kulinarisc­hen Mozart. Kein aufgekratz­tes Historisie­ren, sondern Wohllautfü­lle. Klangsinnl­ich, aber doch tiefsinnig, nuancenrei­ch und fein gearbeitet in den Streichern ist das. Und der nominell zweite Kapellmeis­ter präsentier­t sich da tatsächlic­h als erster Maestro. Sorgsam bringt er Stimmen und Orchester zusammen, schafft Intimität für die Arien, Duette und Quartette, macht in den Rezitative­n aber Tempo. Schade, dass es nicht alle so machten – mit dieser „Cosí“.

Weitere Vorstellun­gen: 17., 27. und 31. Mai. Karten: Tel. (06 81) 3 09 24 86.

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FOTOS: MARTIN KAUFHOLD Die Männer sind am Boden – eine Szene aus „Cosi fan tutte“mit Herdis Anna Jónasdótti­r (Despina), Sungmin Song (Ferrando), Valda Wilson (Fiordiligi), Carmen Seibel (Dorabella) und Salomón Zulic del Canto als Guglielmo (v.l.).
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Stefan Röttig als Don Alfonso.

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