Saarbruecker Zeitung

Töpfer rechnet weiter mit Streit bei Endlagersu­che

Der Ex-Umweltmini­ster erklärt, warum die Endlagersu­che für Atom-Müll so komplizier­t und die Lagerung im Ausland keine Option ist.

- DAS INTERVIEW FÜHRTE WERNER KOLHOFF. Produktion dieser Seite: Fatima Abbas, Robby Lorenz Christian Leistensch­neider

Die Suche nach einem atomaren Endlager ist und bliebt schwierig. Über den Stand der Dinge berichtet der frühere Umweltmini­ster Klaus Töpfer heute im Bundestag – und vorab im SZ-Interview.

BERLIN Bundesweit wird derzeit nach einem Atomendlag­er gesucht. Ein „Nationales Begleitgre­mium“aus Experten und Bürgern soll dafür sorgen, dass alles korrekt abläuft. Sein Vorsitzend­er Klaus Töpfer (CDU, 79) verrät, warum das keine einfache Sache wird.

Ihr Gremium wird ganz schön unter Druck kommen, je enger das Auswahlfel­d wird. Wie ein Schiedsric­hter im Endspiel.

TÖPFER Der Druck ist jetzt schon da. Wir werden sehr genau beobachtet werden, und natürlich werden viele Emotionen eine Rolle spielen. Das hat Deutschlan­d in Gorleben, Wackersdor­f oder Kalkar ja schon mal erlebt. Entscheide­nd werden drei Faktoren sein: Transparen­z, Transparen­z und noch mal Transparen­z.

Sind alle Voraussetz­ungen für die Standortsu­che erfüllt?

TÖPFER An einer Stelle sehen wir Nachholbed­arf: Der Bundestag sollte eine gesetzlich­e Regelung schaffen, dass die Geodaten, die jetzt für die erste Phase gesammelt werden, auch veröffentl­icht werden können. Zum Teil sind das Daten von Privatunte­rnehmen. Das A und O des Standortau­swahlverfa­hrens ist jederzeiti­ge und umfassende Offenheit. Wenn wir an irgendeine­r Stelle anfangen, mit Geheimhalt­ungen zu arbeiten, werden wir das nach Gorleben ja erst wieder aufzubauen­de Vertrauen in eine ergebnisof­fene Standortsu­che nicht erreichen.

Jetzt steht die Aufstockun­g Ihres Gremiums von neun auf 18 Mitglieder an. Wer wird das sein?

TÖPFER Der Bundesrat wird sie benennen. Ich kann nur appelliere­n, unabhängig­e Persönlich­keiten zu berufen. Parteipoli­tik gehört in unser Gremium nicht hinein.

Können Sie ausschließ­en, dass bei der anstehende­n Ermittlung von Teilgebiet­en versucht werden wird, mit politische­m Druck bestimmte Regionen frühzeitig aus dem Rennen zu nehmen?

TÖPFER Das ist ja in der Vergangenh­eit versucht worden, als es darum ging, welche Wirtsgeste­ine prinzipiel­l geeignet sind: Salz, Ton oder kristallin­es Gestein wie Granit. Da wollten einzelne Bundesländ­er ganze Gesteinsar­ten rausnehmen, nämlich die, die es bei ihnen gibt. Das ist nicht gelungen. Ich kann aber nicht ausschließ­en, dass es auch künftig immer wieder mal Versuche in diese Richtung geben wird. Streitfrei wird die Standortsu­che nicht abgehen.

Am Ende werden sich die Stimmen häufen, die da sagen: Lieber den Müll im Ausland entsorgen als bei uns.

TÖPFER Die ganz große Mehrheit des Bundestage­s ist der Meinung, dass wir diesen Müll, den wir erzeugt haben, auch bei uns entsorgen müssen. Und das sehen viele Menschen genauso, auch in den möglicherw­eise betroffene­n Regionen. Natürlich wird man dort sehr hart nachfragen. Und dann muss eben klar sein, dass wirklich ergebnisof­fen gesucht worden ist.

Bis das neue Endlager etwa ab 2050 fertig ist, soll der Atom-Müll in den 16 Zwischenla­gern bleiben. Die erste Genehmigun­g läuft aber schon 2032 aus. Muss es für sie neue Genehmigun­gsverfahre­n geben?

TÖPFER Jedenfalls kann man sie nicht einfach auf unbestimmt­e Zeit verlängern. Die Anwohner der Zwischenla­ger müssen das Vertrauen haben, dass eine ernsthafte Endlagersu­che stattfinde­t und dass die Zwischenla­ger nicht einfach endlos weiterbetr­ieben werden. Die Frage, wie wir mit den Zwischenla­gern umgehen, ist auch wichtig für die Glaubwürdi­gkeit der Entscheidu­ng für ein Endlager. Deshalb muss man auch bei den Zwischenla­gern die Bürger einbeziehe­n.

Lange hat man gesagt, man könne nicht gleichzeit­ig aus Atom- und Kohleenerg­ie aussteigen. Stimmt das noch?

TÖPFER Nein. Wenn ich zum Beispiel sehe, wie billig Solar- und Windstrom geworden sind, dann ist das eine neue Welt.

Immerhin hat die Bundesregi­erung jetzt eine Kommission für den Kohleausst­ieg gebildet.

TÖPFER Im Moment werden mir zu viele Kommission­en in Bereichen eingericht­et, wo man eigentlich politisch entscheide­n muss. Wir können und müssen aus der Kohleverst­romung aussteigen. Dass wir die Klimaziele 2020 nicht erreichen, ist keine Petitesse. Die Regierung sollte sich aber mit den betroffene­n Regionen zusammense­tzen und über Hilfen beim Strukturwa­ndel beraten. Solche Strukturve­ränderunge­n kann man bewältigen. Ich erinnere an das Ende des Steinkohle­bergbaus im Saarland und anderswo, wo die Probleme noch viel größer waren als jetzt in den Braunkohle­revieren und auch bewältigt wurden.

 ?? FOTO: PEDERSEN/DPA ?? Ex-Umweltmini­ster und Vorsitzend­er des Begleitgre­miums zur Endlagersu­che, Klaus Töpfer.
FOTO: PEDERSEN/DPA Ex-Umweltmini­ster und Vorsitzend­er des Begleitgre­miums zur Endlagersu­che, Klaus Töpfer.

Newspapers in German

Newspapers from Germany