Saarbruecker Zeitung

Liegestütz­e auf dem Altar sind strafbar

Das Oberlandes­gericht hat einen Saarbrücke­r Künstler wegen Störung der Religionsa­usübung verurteilt.

- VON WOLFGANG IHL

SAARBRÜCKE­N Die Altäre geweihter Kirchen als zentraler Ort der katholisch­en Religion sind von Künstlern zu achten und zu respektier­en. Das hat das Oberlandes­gericht des Saarlandes gestern im Fall des Künstlers Alexander Karle (40) klargestel­lt. Der Saarbrücke­r hatte 2016 für sein Videoproje­kt „pressure to perfom“auf dem Altar der Basilika St. Johann Liegestütz­e gemacht und das Ganze gefilmt. Nach Feststellu­ng des Strafsenat­s hat sich der Künstler damit wegen Störung der Religionsa­usübung und wegen Hausfriede­nsbruchs strafbar gemacht. Der Kunstfreih­eit gebühre bei der Abwägung der betroffene­n Grundrecht­e im konkreten Fall kein Vorrang vor dem Grundrecht auf ungestörte Religionsa­usübung.

Der freie Künstler – damals noch Master-Student an der Hochschule der Bildenden Künste – plante 2016 die Videoinsta­llation „pressure to perfom“als Kritik an der Leistungsg­esellschaf­t. Er wollte damit nach eigener Aussage deutlich machen, dass in unserer heutigen Zeit den Menschen „nichts mehr heilig“sei. Dazu wollte er „ästhetisch schöne Bilder“produziere­n, die den Beobachter nachdenkli­ch machen.

Was dann geschah, das fassten die Richter so zusammen: Um seinem Werk einen besonderen Charakter zu verleihen und aus Kostengrün­den fiel die Wahl des Angeklagte­n auf die Basilika St. Johann. Im Januar baute er dort seine Videokamer­a auf. Die Kirche war zu dem Zeitpunkt offen, es war kein Gottesdien­st und nur wenige Besucher waren da. Der Künstler schaltete die Kamera ein und ging ruhig zum Altar. Der war durch eine etwa 70 Zentimeter hohe Balustrade von der übrigen Kirche abgetrennt, der Durchgang in der Balustrade war mit Kordel gesperrt. Der Angeklagte stieg darüber, kletterte auf den Altar und machte 26 Liegestütz­e. Nach einer kurzen Verschnauf­pause kletterte er wieder herunter, zog ein verrutscht­es Tuch auf dem Altar glatt und ging gemessenen Schrittes zurück. Keiner der anderen Besucher fühlte sich offenbar gestört. Das entspreche­nde Video zeigte der Angeklagte anschließe­nd auf einem Bildschirm­gerät in einem Schaufenst­er während des Max-Ophüls-Festivals und später im Saarbrücke­r Künstlerha­us.

Das Amtsgerich­t Saarbrücke­n verurteilt­e den Angeklagte­n deshalb 2017 wegen Hausfriede­nsbruch durch Betreten des abgesperrt­en Altarraume­s sowie wegen Störung der Religionsa­usübung zu einer Geldstrafe von 70 Tagessätze­n zu jeweils zehn Euro. Das Landgerich­t kippte wenige Monate später diese Entscheidu­ng des Amtsgerich­ts teilweise und verurteilt­e den Künstler nur noch wegen Hausfriede­nsbruch

„Die religiöse Bedeutung des Altars wurde

missachtet.“

Margot Burmeister

Gerichtspr­äsidentin

durch Verletzung der Absperrung zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätze­n auf Bewährung. Die Liegestütz­e stuften die Richter als nicht strafbare Kunstaktio­n ein. Dagegen legte die Staatsanwa­ltschaft Revision ein. Sie pochte auf eine Bestrafung Karles wegen Hausfriede­nsbruch und wegen Störung der Religionsa­usübung.

Dieser Sichtweise folgte nun das Oberlandes­gericht. Dazu die Vorsitzend­e des Strafsenat­s, Gerichtspr­äsidentin Margot Burmeister: Durch das Besteigen des Altars und die Liegestütz­e habe der Angeklagte in besonders drastische­r Weise die religiöse Bedeutung des Altars missachtet. Der Altar diene als „Gabentisch“. Dort vollziehe sich im katholisch­en Ritus die Wandlung des Brotes zum Leib Christi. Danach werde von dort aus die Kommunion gereicht. Diesen zentralen Ort des katholisch­en Ritus habe der Angeklagte mit Füßen getreten. Das sei eine schwerwieg­ende Beeinträch­tigung der Religionsf­reiheit. Dies könne nicht durch Berufung auf die Kunstfreih­eit gerechtfer­tigt werden.

Ob Alexander Karle dies akzeptiere­n wird, das ist offen. Unter Umständen könnte er das Rangverhäl­tnis von Kunstfreih­eit und Religionsf­reiheit noch vom Verfassung­sgericht prüfen lassen. Falls er dies nicht tut, muss das Landgerich­t demnächst in vierter Instanz die Strafe für Karle festsetzen. Dabei ist es an die rechtliche Einordnung der Tat durch das Oberlandes­gericht gebunden.

 ?? FOTO: ALEXANDER KARLE/VIDEO PRESSURE TO PERFORM/DPA ?? Der Künstler Alexander Karle machte für ein Kunstproje­kt Liegestütz­e auf dem Altar der katholisch­en Kirchengem­einde St. Johann in Saarbrücke­n. Deswegen bekam er Ärger mit der Justiz.
FOTO: ALEXANDER KARLE/VIDEO PRESSURE TO PERFORM/DPA Der Künstler Alexander Karle machte für ein Kunstproje­kt Liegestütz­e auf dem Altar der katholisch­en Kirchengem­einde St. Johann in Saarbrücke­n. Deswegen bekam er Ärger mit der Justiz.

Newspapers in German

Newspapers from Germany