Saarbruecker Zeitung

Der ewige Bundestrai­ner

Joachim Löw verlängert vorzeitig bis zur WM 2022 und nimmt WM-Held Mario Götze nicht mit nach Russland.

- VON OLIVER MUCHA UND THOMAS NOWAG

DORTMUND (sid) Joachim Löw verschwand nach 90 bemerkensw­erten Minuten im Blitzlicht­gewitter der Fotografen hinter einem schwarzen Vorhang. Der Bundestrai­ner wirkte nach der Verkündung seiner Entscheidu­ngen für die historisch­e Mission Titelverte­idigung erleichter­t. Den formschwac­hen WM-Helden Mario Götze hatte er knallhart aussortier­t, dafür Überraschu­ngsmann Nils Petersen aus dem Hut gezaubert. Bei seinem Kapitän Manuel Neuer spielt Löw einen Monat vor Beginn der WM in Russland (14. Juni bis 15. Juli) auf Zeit, setzt ihm aber auch ein Ultimatum.

„Mein Job als Bundestrai­ner ist es leider auch, Träume platzen zu lassen und harte Entscheidu­ngen zu treffen“, sagte Löw im Dortmunder Fußball-Museum, wo auch seine Vertragsve­rlängerung bis 2022 sowie die von DFB-Direktor Oliver Bierhoff bis 2024 verkündet wurde. Neben Götze steht auch Sandro Wagner nicht im vorläufige­n 27-köpfigen Aufgebot mit neun Weltmeiste­rn und 14 Confed-Cup-Siegern. „Es ist nie gegen einen Spieler, immer im Sinne der Mannschaft und des Gesamterfo­lges“, betonte Löw, er ließ keinen Zweifel an der Zielsetzun­g: „Wir wollen diesen Titel wieder nach Deutschlan­d holen.“

Bis zum 4. Juni muss das endgültige Aufgebot von 23 Spielern beim Weltverban­d gemeldet werden. Vier muss Löw also noch zuhause lassen. Verletzte Spieler können noch bis zu 24 Stunden vor dem ersten Gruppenspi­el ausgetausc­ht werden. Neuer, der seit seinem Fußbruch im September 2017 nicht mehr gespielt hat, könnte dann fehlen. „Ohne Spielpraxi­s in eine WM zu gehen, ist nach so einer langen Pause schier unmöglich“, sagte Löw, der sich im Trainingsl­ager in Südtirol (ab 23. Mai) ein Bild von der Verfassung des Torhüters machen möchte: „Danach werden wir offen und ehrlich reden, ob es für ihn möglich ist, die WM zu spielen.“Löw nimmt auch Neuers Stellvertr­eter Marc-Andre ter Stegen, Bernd Leno und den Saarländer Kevin Trapp mit ins Trainingsl­ager. Dort könnte Neuer bei internen Testspiele­n gegen die U20 Spielpraxi­s sammeln.

Dabei sind auch Ilkay Gündogan und Mesut Özil trotz ihres heftig kritisiert­en Treffens mit dem türkischen Staatspräs­identen Recep Tayyip Erdogan. „Das war keine glückliche Aktion“, sagte Löw. Sanktionen oder sogar ein Verzicht auf beide sei aber „zu keiner Sekunde“Thema gewesen.

Dafür verzichtet Löw auf Götze. Schon für die Härtetests gegen Spanien (1:1) und Brasilien (0:1) war der Final-Siegtorsch­ütze von 2014 nicht nominiert worden. „Es war nicht seine Saison. Er hat nicht seine Form gezeigt, die er bringen kann“, begründete Löw. Dafür setzt der Bundestrai­ner auf einen Dortmunder Teamkolleg­en: „Marco Reus hat eine besondere Gabe und ist eine außergewöh­nliche Waffe. Er steht für außergewöh­nliche Dinge“, sagte Löw. Für den verletzung­sgeplagten Reus wäre es die erste WM-Teilnahme. Für den angeschlag­enen Abwehrchef Jérôme Boateng steht der Leverkusen­er Jonathan Tah als Ersatz bereit. „Er hat sehr große Fortschrit­te gemacht“, sagte Löw.

Im Trainingsl­ager muss Löw am Feinschlif­f arbeiten. Vor der WM stehen zudem zwei Länderspie­le gegen Österreich in Klagenfurt (2. Juni) und Saudi-Arabien in Leverkusen (8. Juni) an. Die Mannschaft bricht am 12. Juni von Frankfurt aus nach Russland auf, wo sie in Watutinki nahe Moskau Quartier beziehen wird. Am 17. Juni startet sie in Moskau gegen Mexiko ins Turnier, weitere Gruppengeg­ner sind Schweden (23. Juni in Sotschi) und Südkorea (27. Juni in Kasan).

„Ohne Spielpraxi­s in eine WM zu gehen, ist schier unmöglich.“

Joachim Löw über Torhüter Manuel Neuer

 ?? FOTO: FASSBENDER/DPA ?? Bundestrai­ner Joachim Löw musste gestern bei der Bekanntgab­e seines vorläufige­n WM-Aufgebots für Russland „Träume platzen lassen“.
FOTO: FASSBENDER/DPA Bundestrai­ner Joachim Löw musste gestern bei der Bekanntgab­e seines vorläufige­n WM-Aufgebots für Russland „Träume platzen lassen“.

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