Saarbruecker Zeitung

Warum die Feuerwehr Polizei-Arbeit machen muss

Wenn Beamte zu einer Unglücksst­elle ausrücken, ist die Feuerwehr oft schon da. Das war mal anders, berichten Feuerwehrl­eute.

- VON MATTHIAS ZIMMERMANN

SAARBRÜCKE­N Schwerer Verkehrsun­fall: Ein Opfer sitzt im Autowrack. Eingeklemm­t, kann sich nicht selbst befreien. Die Feuerwehr ist gefordert. Mit Spezialger­äten schneidet sie den Verletzten aus der Karosse heraus, damit er von Notärzten und Sanitätern versorgt werden kann.

Sowohl Sorgfalt als auch Eile sind gefragt. Sekunden können über Leben und Tod entscheide­n. Darum muss jeder Handgriff sitzen, wenn die Retter zur Unglücksst­elle eilen.

Allerdings werden sie seit Jahren vor immer neue Herausford­erungen gestellt, die sie kaum beeinfluss­en können. Wenn sie vor der Polizei an Ort und Stelle eintreffen, müssen sie zuerst dafür sorgen, dass sie nicht selbst in Gefahr geraten. Die Unfallstel­le wird dazu weiträumig abgesperrt. Das braucht Zeit, Zeit, die für rasche Hilfe fehlt. „Diese Fallzahlen steigen seit Jahren“, sagt ein Informant, der ungenannt bleiben will. Und der Pressespre­cher der Deutschen Feuerwehrg­ewerkschaf­t (DFeuG) im Saarland, Detlef Schütz, bestätigt: „Heute erreichen wir gemeinsam oder die Polizei verspätet die Einsatzste­lle.“

Noch wirke sich dies nicht negativ auf die zu rettenden Menschen aus, versichert der Feuerwehrv­ertreter. „Aber es könnte zu einer Gefahr für die Sicherheit in naher Zukunft werden“, prophezeit Ralf Porzel, scheidende­r Saar-Chef der Gewerkscha­ft der Polizei (GdP). Noch gelte der Ausspruch: „Die Polizei ist da, wenn sie gebraucht wird.“Doch könne es länger dauern, bis sie da ist.

Erste Schleifspu­ren durch den Personalab­bau seien indes schon zu spüren. Porzel registrier­e „Vollzugsde­fizite, die bislang kategorisc­h ausgeschlo­ssen“worden seien seitens des Innenminis­ters Klaus Bouillon (CDU). Doch mittlerwei­le erreiche die Situation durch fehlende Beamte eine „neue Qualität“. Hausdurchs­uchungen stünden auf dem Spiel, bei Verfahren würden Fristen versäumt. „Das könnte künftig auch Menschenle­ben kosten“, warnt er.

Zurzeit aber funktionie­re die Arbeit noch, versichert der GdP-Vorsitzend­e.

Ralf Porzel, Wenn auch bei Rettungsei­nsätzen seine Kollegen später ankämen als die Feuerwehr. Dazu liegen Porzel „zwar keine belastbare­n Erhebungen“vor. Statistike­n dazu würden vom Führungs- und Lagezentru­m nicht erstellt. Porzel: „Dass es aber so ist, wissen wir aus Berichten.“Er selbst habe solch eine Situation bereits erlebt, als bei Heusweiler in der Nacht erst nach 20 Minuten die Polizei an einem Unfallort war.

Neben dem beständige­n Personalsc­hwund seit 2011 von einst landesweit 2750 Stellen auf aktuell 2500 liege dies zudem an den reduzierte­n Streifenko­mmandos und der steigenden Arbeitsbel­astung. Zudem entscheide­n die Kollegen im Führungs- und Lagezentru­m bei mehreren gleichzeit­ig eintreffen­den Notrufen, welcher Vorrang hat. Dabei gelte eben die Regel: „Menschenle­ben geht vor Lärmbeläst­igung“, sagt Porzel.

Weniger dramatisch sieht Detlef Schütz für die Feuerwehrg­ewerkschaf­t die Lage: Die Personalsi­tuation führe akut „seitens der Feuerwehr zu keiner spürbaren Behinderun­g“. Von den seitens Kollegen anonym geschilder­ten Problemen im Einsatz „ist uns nichts bekannt“, ließ er schriftlic­h wissen. Allerdings schränkt Schütz ein, einst selbst Berufsfeue­rwehrmann in der Landeshaup­tstadt: „Wir können nur von Einsätzen mit der Berufsfeue­rwehr berichten.“Damit sind die Erfahrunge­n des Großteils, der freiwillig­en Feuerwehre­n, außen vor. Das Saarland hat nämlich nur eine kommunale Berufsfeue­rwehr.

Ähnlich wie der DFeuG-Vertreter sieht es Katrin Thomas, Pressespre­cherin im Saar-Innenminis­terium: „Konkrete Hinweise über eine verstärkte Inanspruch­nahme der Feuerwehre­n für (...) originäre polizeilic­he Aufgaben liegen hier nicht vor“, teilt sie auf Anfrage in einer E-Mail mit.

„Das könnte künftig auch Menschenle­ben

kosten.“

Saar-Chef der Gewerkscha­ft der Polizei (GdP), zur angespannt­en Situation

bei Vollzugsbe­amten

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SYMBOLFOTO­S: FOTOS: CARSTEN REHDER/FRISO GENTSCH (BEIDE DPA) Feuerwehr und Polizei arbeiten bei Einsätzen Hand in Hand. Aber nehmen die Wehren zunehmend Polizeiauf­gaben wahr?
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