Saarbruecker Zeitung

Die SPD steckt im Umfrage-Tief fest

Gut und ruhig regieren? Oder mehr Dampf? Diese Fragen spalten die Partei, die in Umfragen inzwischen auf bis zu 16 Prozent abgestürzt ist.

- VON GEORG ISMAR

(dpa) Olaf Scholz will jetzt etwas geraderück­en. Er redet Tacheles, als er am Freitag im Bundestag noch einmal das Wort ergreift. Es hat sich da was angestaut. Viele Leute würden Sachen behaupten, die schlicht Unsinn seien, kritisiert der Finanzmini­ster und SPD-Vizekanzle­r. Es geht um seinen Haushaltse­ntwurf, der in allen Facetten diese Woche kontrovers im Parlament diskutiert worden ist.

Richtet sich der Rüffel auch an das zunehmend nervöse eigene Lager? In der SPD wächst der Verdacht, Scholz wolle einfach die CDU-Politik von Amtsvorgän­ger Wolfgang Schäuble fortsetzen. Und er habe mit einer schlechten Kommunikat­ion bei der Vorstellun­g der Etatpläne Attacken der Opposition Tür und Tor geöffnet. „Das war kommunikat­iv ganz alte Schule. Und leider weit von einer neuen SPD entfernt, weil er die Opposition ohne Not zum politische­n Konter eingeladen hat“, sagt Juso-Chef Kevin Kühnert.

Nun wird bei Scholz ein zu starker Fokus auf Sparen und Schuldenab­bau kritisiert – die SPD-Linke fordert, stattdesse­n viel mehr in die Modernisie­rung der Infrastruk­tur zu investiere­n und schuldenge­plagte Kommunen wieder handlungsf­ähiger zu machen. Scholz betont wie Schäuble, in guten Zeiten müsse man auch Schulden abbauen. Dank sprudelnde­r Steuereinn­ahmen werde trotzdem kräftig investiert. 56 Milliarden Euro wollten Union und SPD bis 2021 zusätzlich ausgeben. Etwa für gebührenfr­eie Betreuungs- und Bildungsan­gebote, sozialen Wohnungsba­u, ein höheres Kindergeld und Digitalisi­erung.

Doch es zeigt sich, die SPD wird unruhig, nach zwei Monaten großer Koalition. Da die SPD es nicht schafft, Debatten zu bestimmen, mit einem Thema mal richtig große Emotionen zu wecken. In einer neuen ARD-Umfrage liegt die Partei nur noch bei 17 Prozent, das Institut gms verzeichne­t sogar ein Allzeittie­f von 16 Prozent, der Koalitions­partner CDU/CSU ist mit 34 Prozent mehr als doppelt so stark. Im ZDF-Politbarom­eter sind es immerhin noch 20 Prozent für die SPD. 2019 könnte bei einem Bundespart­eitag der SPD über einen Abbruch der Koalition abgestimmt werden. Bleibt die Lage so, könnte die Option eine ernsthafte werden. Derzeit läuft eine Testphase, mit welchem Koalitions­kurs der Abwärtstre­nd gestoppt werden könnte.

Teil 1, Zugspitze. So schöne Bilder. SPD-Chefin Andrea Nahles lächelnd am Gipfel, eingerahmt von Alexander Dobrindt (CSU) und Volker Kauder (CDU). In sozialen Medien ergoss sich Spott: Die kostspieli­ge Klausur der Fraktionss­pitzen auf dem höchsten Berg Deutschlan­ds zeige die Abgehobenh­eit der Politik. Fraktions- und Parteichef­in Nahles und ihr Vizekanzle­r Scholz wollen mit guter Arbeit Vertrauen zurückgewi­nnen. Sacharbeit statt Springen über jedes Stöckchen, etwa wenn Dobrindt gegen eine Anti-Abschiebe-Industrie wettert. Doch die Koalitions­harmonie-Show kam intern schlecht an.

Die Einbringun­g des Bundeshaus­halts sollte nun die SPD wieder in die Offensive bringen. Doch stattdesse­n verstärkte sich das Genöle noch, auch weil Scholz wie ein Buchhalter ohne Leidenscha­ft aufgetrete­n sei. Im Bundestag folgte daraufhin Teil 2 der Testphase, die andere Nahles. Keine Harmonie wie auf der Zugspitze, sondern Attacken gegen Dobrindt. Und Drohungen mit richtigem Krach, wenn die Union nicht endlich den Widerstand aufgibt gegen ein Rückkehrre­cht von Teilzeitau­f Vollzeitst­ellen, etwa nach einer längeren Auszeit zur Kinderbetr­euung. Doch die Regelung soll ohnehin erst bei Unternehme­n ab 45 Beschäftig­ten eingeführt werden.

Hier der staatstrag­ende Scholz, da die polternde Nahles – doch hinter dieser Kurssuche stellt sich vor allem die Frage: Setzt die SPD die richtigen Akzente? Trifft sie das Gefühl der „kleinen Leute“? Etwa wenn sich die Spitze beim Familienna­chzug für Flüchtling­e verkämpft?

Zudem gibt es reihenweis­e ungeklärte Positionen, etwa ob die Russland-Sanktionen abgemilder­t werden sollen oder ob Hartz IV reformiert werden muss. Die nur 66 Prozent Ja-Stimmen bei Nahles‘ Wahl zur SPD-Chefin waren Ausdruck der Sorge, dass es mit der erneuten großen Koalition läuft wie zuvor: Man arbeitet den Koalitions­vertrag ab, setzt viel rote Politik durch, aber gewinnt kaum neues Profil und Wählerzust­immung.

 ??  ??
 ?? FOTO: MICHAEL KAPPELER/DPA ?? Für seine Rede zum Haushaltse­ntwurf erntete der SPD-Finanzmini­ster Olaf Scholz viel Kritik aus der eigenen Partei. Überhaupt sehen viele Sozialdemo­kraten seinen Kurs kritisch und wünschen sich mehr Dampf.
FOTO: MICHAEL KAPPELER/DPA Für seine Rede zum Haushaltse­ntwurf erntete der SPD-Finanzmini­ster Olaf Scholz viel Kritik aus der eigenen Partei. Überhaupt sehen viele Sozialdemo­kraten seinen Kurs kritisch und wünschen sich mehr Dampf.

Newspapers in German

Newspapers from Germany