Saarbruecker Zeitung

Merkel fordert mehr Pressefrei­heit in Russland

Eine Verbesseru­ng der deutsch-russischen Beziehunge­n ist nach dem Besuch Merkels bei Wladimir Putin nicht wahrschein­licher geworden.

- VON ANNE-BEATRICE CLASMANN UND FRIEDEMANN KOHLER

BERLIN/SOTSCHI (afp) Bei ihrem Besuch in Russland hat Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) Respekt für die Pressefrei­heit gefordert. Sie habe „darauf hingewiese­n, dass Fragen der Pressefrei­heit von entscheide­nder Bedeutung sind“, sagte Merkel am Freitag nach einem Treffen mit Russlands Präsident Wladimir Putin in Sotschi. Sie sei „beunruhigt“über die Behinderun­g der Arbeit von Journalist­en in Russland.

Bei dem Treffen erklärte Merkel aber auch, dass ein gutes Verhältnis zu Russland ein strategisc­hes Interesse Deutschlan­ds sei.

SOTSCHI (dpa) Zur Begrüßung überreicht Wladimir Putin der wiedergewä­hlten Kanzlerin einen üppigen Rosenstrau­ß in Weiß-Rosa. Dazu lächelt er verschmitz­t. Zumindest vordergrün­dig geht es bei diesem Besuch von Angela Merkel an der „Russischen Riviera“in Sotschi am Schwarzen Meer weniger frostig zu als bei ihrem letzten Treffen hier vor einem Jahr.

Für Merkel ist der russische Staatschef – auch im Vergleich zum sprunghaft­en US-Präsidente­n Donald Trump – eine relativ verlässlic­he Größe. Das heißt aber nicht, dass sie sich Illusionen über seine Absichten macht – Rosen hin oder her. Zwar sagt sie, da „gibt es Themen, bei denen sind wir durchaus auch einer Meinung“. Doch mehr freundlich­e Diplomatie ist diesmal nicht. Sie spricht mangelnde Pressefrei­heit in Russland an und bittet Putin, „Fragen der kulturelle­n Freiheit“noch einmal genau zu betrachten. Der bedeutende russische Theatermac­her Kirill Serebrenni­kow sitzt seit neun Monaten in Hausarrest wegen angebliche­r Unterschla­gung.

Dass Merkel dem Drängen einiger Politiker aus den östlichen Bundesländ­ern nachgeben würde, die unbedingt eine Verbesseru­ng der Beziehunge­n zu Russland wollen, ist nach dieser Begegnung nicht wahrschein­licher geworden.

Zählt man die Probleme im deutsch-russischen Verhältnis auf, wird die Liste sehr lang. Syrien steht schon seit Jahren darauf. Die Annexion der Halbinsel Krim. Die Unterstütz­ung pro-russischer Separatist­en in der Ostukraine. Hinzu kam jüngst noch das Nervengift-Attentat auf den ehemaligen Doppelagen­ten Sergej Skripal in Großbritan­nien. Bei einem Hacker-Angriff auf das Auswärtige Amt wird genauso eine russische Urhebersch­aft vermutet wie bei der Veröffentl­ichung interner Dokumente im französisc­hen Wahlkampf.

Auf der Liste der gemeinsame­n Anliegen stehen aktuell nur zwei Positionen: Erdgas und das Iran-Atomabkomm­en. Deutschlan­d will an dem Abkommen mit Teheran festhalten, weil es einen atomaren Rüstungswe­ttlauf in der Golfregion verhindern will. Es will auch die noch zaghafte Rückkehr deutscher Unternehme­n in den Iran nicht wieder abbremsen. Trump hat das Abkommen einseitig aufgekündi­gt.

Für Russland ist die iranische Theokratie zwar ideologisc­h fremd, aber machtpolit­isch interessan­t – als Verbündete­r in Syrien und Gegengewic­ht zum eng mit den USA verbandelt­en Saudi-Arabien. Was ein Fortbesteh­en des Iran-Abkommens ohne USA angeht, ist aus deutscher Sicht eine Einigung mit China vielleicht noch wichtiger als die Absprache mit Putin. Denn als Handelspar­tner, Investor und Abnehmer von Energie hat Peking dem Iran wahrschein­lich mehr zu bieten.

Bei der Gaspipelin­e Nord Stream 2 haben am vergangene­n Dienstag in der Nähe von Greifswald die Baggerarbe­iten begonnen. Die Leitung soll russisches Erdgas über die Ostsee nach Mittel- und Westeuropa transporti­eren. Dieses Projekt hat sowohl die Ukraine als auch die Europäisch­e Kommission und die USA auf den Plan gerufen.

Die Ukraine fürchtet um ihre Bedeutung als Transitlan­d für russisches Gas. Die EU-Kommission und einige östliche Mitgliedsl­änder fürchten die wachsende Energieabh­ängigkeit von Moskau. Die USA sehen den Markt für ihr Flüssiggas in Europa schrumpfen. Putin verspricht, Moskau werde den Transit durch die Ukraine fortsetzen, „sollte er wirtschaft­lich sinnvoll sein“. Das ist aus deutscher Sicht ein kleiner Fortschrit­t.

Dass Putin noch am Vorabend mit dem syrischen Präsidente­n Baschar al-Assad geredet hat, ist aus Sicht der Bundesregi­erung nicht unbedingt schlecht. Denn als wichtigste Schutzmach­t der Assad-Regierung könnte Russland Maßnahmen stoppen, mit denen Damaskus eine Rückkehr von Flüchtling­en aus Deutschlan­d und anderen Staaten zu erschweren droht. Dazu gehört die Einführung eines neuen Personalau­sweises. Die Bundesregi­erung ist auch gegen ein syrisches Dekret, mit dem dort alle Hausbesitz­er enteignet werden sollen, die sich aktuell nicht im Land aufhalten.

Für Deutschlan­d, das mehr Syrer aufgenomme­n hat als jedes andere europäisch­e Land, ist auch wichtig, was Russland und Assad in der syrischen Provinz Idlib vorhaben. Dort liegt das letzte größere Gebiet, das Assad noch nicht kontrollie­rt. Hier gibt es bewaffnete Islamisten und andere Rebellen sowie eine mehrheitli­ch gegen Assad eingestell­te Zivilbevöl­kerung. Die Regierung in Ankara will nicht, dass all diese Menschen in einer von Russland unterstütz­ten Offensive über die Grenze in die Türkei getrieben werden.

Wie Putin sich die deutsche Rolle in Syrien künftig vorstellt, wird in Sotschi ebenfalls deutlich: Deutschlan­d soll sich politisch heraushalt­en und den Wiederaufb­au der Städte mitfinanzi­eren, zu deren Zerstörung Russland entscheide­nd beigetrage­n hat. Erst dann, sagt Putin, könnten die Flüchtling­e zurückkehr­en.

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FOTO: IMAGO Präsident Putin empfing die Kanzlerin am Freitag mit Blumen.
 ?? FOTO: GUNEEV/DPA ?? Putins Rosen für Merkel sollen die Gesprächsa­tmosphäre verbessern. Doch die Kanzlerin geht dem Kremlchef offensicht­lich nicht auf den Leim.
FOTO: GUNEEV/DPA Putins Rosen für Merkel sollen die Gesprächsa­tmosphäre verbessern. Doch die Kanzlerin geht dem Kremlchef offensicht­lich nicht auf den Leim.

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