Eine CIA-Chefin, die sich mit Folter auskennt
PORTRÄT Erstmals steht eine Frau an der Spitze des US-Spionagedienstes.
WASHINGTON Sie hat jeden Satz sorgfältig einstudiert. Sich jedes Wort vorher zurechtgelegt. Es war ein Drahtseilakt für Gina Haspel. Um nicht abzustürzen, hat sie sich einer verbalen Akrobatik bedient, die irgendwie alles in der Schwebe halten sollte. Haspel war direkt beteiligt, als die CIA Terrorverdächtige in geheimen Gefängnissen folterte. Sie mit verschärften Methoden verhörte, wie es im Behördenjargon hieß. Nun hat die 61-Jährige aus Kentucky Geschichte geschrieben, sie ist die erste Frau an der Spitze des amerikanischen Spionagedienstes. Um ans Ziel zu kommen, musste sie einen Balanceakt absolvieren.
Nein, sie würde nie wieder ein Programm verschärfter Verhörmethoden starten, um Gefangene zum Reden zu bringen, beschwichtigte sie die Skeptiker. Und nein, sie verdamme nicht, was unter George W. Bush im „Krieg gegen den Terror“geschah, beruhigte sie die Hardliner. Ihre Leute hätten sich der Werkzeuge bedient, die damals als rechtmäßig eingestuft wurden. Als sich abzeichnete, dass es nicht reichen würde, zur Vergangenheit nur halb auf Distanz zu gehen, schob sie ein Papier hinterher. Aus heutiger Perspektive gesehen, schrieb Gina Haspel, seien die verschärften Verhörmethoden etwas, worauf sich die CIA nie hätte einlassen dürfen.
Am Donnerstagabend schließlich wurde sie von der Kammer im Amt bestätigt, mit 54 Ja- bei 45 Neinstimmen. Sechs Demokraten, die meisten aus Bundesstaaten, in denen Donald Trump die Wahl gewann, scherten aus den Reihen ihrer Partei aus, um grünes Licht zu geben. Das gab den Ausschlag.
Haspel ist eine Veteranin des klandestinen Geschäfts. Als sie 1985 bei den Schlapphüten begann, schickte man sie als Erstes nach Addis Abeba. Später wechselte sie nach Baku, ehe sie ins Antiterrorzentrum der CIA aufrückte. Folgt man dem, was bruchstückhaft bekannt wurde über ihr Berufsleben, fing sie am 11. September 2001 dort an, an dem Tag, in dem in New York die Zwillingstürme einstürzten. 13 Monate darauf flog sie nach Thailand, um ein Gefängnis zu leiten, das es offiziell nicht geben durfte. Eine Haftanstalt mit dem Codenamen Katzenauge.
In Südostasien hatten Agenten der CIA versucht, den Palästinenser Abu Zubaida, bei Al-Qaida für Logistik zuständig, durch Waterboarding zum Reden zu bringen. Mindestens 83 Mal schnallten sie ihn auf ein Brett und gossen ihm Wasser übers Gesicht, bis er das Gefühl hatte, ertrinken zu müssen. Als Haspel die Verantwortung für das „Katzenauge“übernahm, war das Kapitel Abu Zubaida zwar schon beendet. Doch zu der Zeit wurde ein zweiter Gefangener nach Thailand verlegt, Abdul Rahman Al-Naschiri, mutmaßlicher Drahtzieher eines Attentats auf das Kriegsschiff USS Cole im Hafen von Aden. Auch er wurde wassergefoltert, diesmal unter Haspels unmittelbarer Aufsicht.
Im Jahr 2005 ordnete José Rodriguez, bei der CIA zuständig für verdeckte Operationen, die Vernichtung von Videoaufnahmen aus dem „Katzenauge“an. Haspel, seinerzeit Rodriguez’ Stabschefin, habe das Schreddern der Bänder eifrig befürwortet, schreibt der frühere CIA-Anwalt John Rizzo in einem Insider-Buch.
Das alles hat den Senat in Washington noch einmal aufgewühlt. Mit den Werten Amerikas sei die Berufung nicht zu vereinbaren, warnte der todkranke, vom Krebs gezeichnete John McCain, einst selber in nordvietnamesischer Kriegsgefangenschaft gefoltert. Ähnlich sahen es über 100 ehemalige Botschafter der USA, die in einem offenen Brief anmerkten, Autokraten in aller Welt würden sich über die Personalie ganz sicher freuen. „Dann können sie voller Zynismus erklären, dass sich ihr Verhalten nicht von unserem unterscheidet.“