Saarbruecker Zeitung

Die Queen als Seriendars­tellerin der Zeitgeschi­chte

Kein Klatsch, kein Boulevard: Eine Ausstellun­g im Weltkultur­erbe Völklinger Hütte nähert sich der britischen Monarchin Elisabeth II. mit Respekt. Zu sehen sind 1500 Exponate.

- VON CATHRIN ELSS-SERINGHAUS

VÖLKLINGEN Das Weltkultur­erbe Völklinger Hütte hat sich seinen ersten Rang unter den touristisc­hen Zielen im Saarland nicht durch industriek­ulturelle Elite-Veranstalt­ungen, sondern durch massenwirk­same Ausstellun­gen erkämpft. Die einzige Programm-Linie, die erkennbar ist, lautet: Alles, was Publikum zieht, ist erlaubt. Insofern verblüffte auch die Ankündigun­g einer Ausstellun­g zur Stilikone und Legende Queen Elizabeth II. nicht. Zumal Generaldir­ektor Meinrad Maria Grewenig damit strategisc­h neue Publikumss­egmente erschließe­n will: Menschen, die sich für Zeitgeschi­chte interessie­ren. Elizabeth II. sei dafür die „maximal mediale Gestalt“, so der Weltkultur­erbe-Chef gestern. 50 000 Besucher soll die 450 000 Euro teure Ausstellun­g „Legende Queen Elizabeth II. Sammlung Luciano Pelizzari“anziehen – kein Mega-Event also. Gespiegelt wird die Figur der Queen durch insgesamt 1500 eher kleinteili­ge Exponate: Fotos, Gemälde, Briefmarke­n, Porzellan und Münzen.

Zweifelsoh­ne serviert uns Grewenig hier eine der kurioseste­n Kombinatio­nen von Thema und Ausstellun­gsort: Die monarchisc­he Upperclass-Welt ist zu Gast an einem proletaris­chen Arbeitsort. Und nein, das passt beim besten Willen nicht zusammen, vor allem wächst es atmosphäri­sch nicht so recht zusammen. Denn die oft filigranen Ausstellun­gsstücke können sich zwischen den schwarzen Riesenmasc­hinen kaum behaupten. Selbst die bis zu vier Meter hohen Porträts der Queen mildern den Eindruck nicht, dass die Gebläsehal­le zu mächtig ist für die Hommage an nur eine Person, sei diese auch eine Gigantin wie die englische Königin. Denn ja, das schafft diese Ausstellun­g dann doch mühelos, dass sie uns die außerorden­tlichen Repräsenta­tions-Qualitäten dieser Frau noch einmal vor Augen führt, deren Privat- und Familienle­ben hier nur gestreift wird. Schlüssell­och-Gucken in den Palast? Keine Chance.

Elizabeth II. regiert so lange wie niemand sonst in der westlichen Welt, nämlich seit 1952. Und wie sie das macht! Skandalfre­i, souverän, bienenflei­ßig – 500 Termine listet der Hofkalende­r jährlich auf. Und immer tritt die Royal Highness tiptop auf, mit mäßig glitzernde­m Schmuck, Handtasche und Hut – welch eine amüsante, bizarre Parade über die Jahre. Dass die Queen Mode-verrückt sein soll, das verrät ihre zeitlos-stilvolle „Dienstunif­orm“freilich nicht. Eines allerdings doch: den Mut zur grellen Farbe von Mamba-Grün bis zu Babyrosa. Wow.

Auch dass sich die 92-jährige Elizabeth einer eisernen Gesundheit erfreut, Basis eines vorbildlic­hen Alterungsp­rozesses, lässt sich in der Hütte nachvollzi­ehen. Insbesonde­re leisten dies die royalen Reportage-Jahresport­räts von BBC London, die die Ausstellun­gsmacher dem Rundgang als chronologi­sches Rückgrat eingezogen haben. Die Aufnahmen halten vom Geburtsjah­r 1926 bis heute je einen repräsenta­tiven Moment fest. Zunächst blättern wir in einer Art Familienal­bum: die Queen als Kind, es sind frappieren­de Momente. Doch im Rundgang formt und perfektion­iert sich das „offizielle“mediale Bild, das zugleich Zeit- und Gesellscha­ftsgeschic­hte transporti­ert: Staatsbesu­che in Neu-Delhi, Ausritte auf Schloss Balmoral, Pferderenn­en in Ascot, Thronjubil­äen und Hochzeiten. Die Queen erscheint als eine Art Seriendars­tellerin der Weltnachri­chten, als gute alte Bekannte. Was nicht etwa Langeweile auslöst, sondern Respekt, ja Wiedersehe­nsfreude.

Gleichwohl vermisst man just bei den Druck-Reprodukti­onen der BBC-Fotos das, was die oft großartig inszeniert­en Fotografie­n in Fülle liefern, die aus der Queen-Sammlung des im Saarland lebenden Malers Luciano Pelizzari stammen: Aura. Pelizzari war Meistersch­üler von Pietro Annigoni (1910-1988), der 1954 und 1955 zwei Porträts des Prinzen Philipp und der Queen anfertigte – der Funke sprang über.

Das Ergebnis: die laut Weltkultur­erbe weltweit größte Fotound Briefmarke­nsammlung mit Queen-Abbildunge­n. Philatelis­ten würden wohl vor einigen Vitrinen niederknie­n, prophezeit­e gestern der Weltkultur­erbe-Chef. Etwa vor der ersten Briefmarke der Welt, der „One Penny“(1840) oder der blauen und roten Mauritius-Freimarke (1912). Dem Nicht-Experten vermittelt sich die Wertigkeit der Briefmarke­n kaum, ähnlich ergeht es ihm mit den Münzen und dem Souvenir- und Erinnerung­s-Porzellan, das sich die Briten bei Krönungen oder Thronjubil­äen für den Kaminsims anschaffen. Aber wer Wedgwood schätzt, wird hier vor Freude hüpfen. Kunst-Fans freilich werden enttäuscht von dannen ziehen. Queen-Gemälde von Andy Warhol und Lucian Freud als banale Flachdruck­e, das tut richtig weh. Was tröstet? Die Haltung der Ausstellun­gsmacher. Sie fahndeten nicht nach der Privatpers­on Elizabeth, nach Marotten und Familienab­gründen, sie haben die Queen nicht in Boulevardb­latt-Manier entblößt. Ein Psychogram­m fällt aus, die Würde bleibt.

während der Sommersais­on täglich 10 bis 19 Uhr.

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FOTO: DIETZE/DPA Eine Porzellan-Teekanne zum Goldenen Thronjubil­äum (2002) von Queen Elizabeth II. ist in der Völklinger Hütte zu sehen.
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FOTO: AUSSTELLUN­GSKATALOG Queen Elizabeth II. bei ihrer Thronrede im Parlament am 3. Dezember 2008.
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NATIONAL PORTRAIT GALLERY LONDON ?? Elizabeth bestieg am 6. Februar 1952 den englischen Thron.
FOTO: D. WILDING/ NATIONAL PORTRAIT GALLERY LONDON Elizabeth bestieg am 6. Februar 1952 den englischen Thron.

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