Saarbruecker Zeitung

Auf ein Bier in Wales schönster Strandbar

Die Region hat mehr zu bieten als Schafe – selbst wenn es hier doppelt so viele wie Einwohner gibt. Zu Besuch im Norden des Landes.

- VON PATRICIA HEINE

PORTHDINLL­AEN Zwei Augenpaare starren Stoßstange­n und Scheinwerf­er an. Voller Angst. Umzingelt von Blech. Mitten auf einer engen, kurvenreic­hen Straße im Norden von Wales steht ein Mutterscha­f mit seinem Lamm. Sie haben sich verirrt. Das passiert öfters in einem Land, in dem es mehr Schafe gibt als Einwohner.

Die grüne Landschaft ist gesprenkel­t mit weißen Flecken. Die Landwirtsc­haft ist die wichtigste Einnahmequ­elle vieler Waliser. Doch die meisten der rund drei Millionen Einwohner dieses Fleckchens Erde leben vom Tourismus. Engländer, Schotten und Iren verbringen hier gerne ihren Urlaub, aber auch Deutsche und Amerikaner sind vielgesehe­ne Gäste.

Wer nach Wales kommt, um sein Englisch zu verbessern, darf sich aber nicht wundern, wenn er die Einheimisc­hen nicht immer versteht. Denn in dem kleinen Land im Südwesten von Großbritan­nien hat eine der ältesten europäisch­en Sprachen überlebt: Walisisch. Die keltische Sprache prägt das Land, 20 Prozent der Bevölkerun­g spricht sie. In Schulen wird erst Walisisch gelehrt, dann Englisch. Wer in Wales einen Job im öffentlich­en Dienst anstrebt, muss die Mutterspra­che beherrsche­n. Um sie zu lernen, gibt es ein eigenes Sprachzent­rum in Llithfaen, einem Ort an der Westküste von Wales. Eine schmale Straße führt an steilen Hängen entlang – bis sich an der Küste eine Steinhauss­iedlung auftut. Wo früher die Arbeiter eines Steinbruch­s lebten, kommen heute die Sprachschü­ler von „Nant Gwrtheyrn“unter. Sie lernen Walisisch vor einzigarti­ger Kulisse. Zwischen Felswänden, grünen Wiesen und natürlich jeder Menge Schafe.

Mathieu Penri ist einer der drei Lehrer des Sprachzent­rums. Der 26Jährige hat die walisische Sprache studiert. Das gab ihm die Möglichkei­t, in seiner Heimat zu bleiben und zu arbeiten. Maximal 15 Schüler hat er in seinen Kursen. In verschiede­nen Schwierigk­eitsgraden werden sie angeboten. Die meisten Schüler bleiben fünf Tage, um zu büffeln. Zu ihnen gehören viele Amerikaner und Australier.

Bei 600 Flüssen und 230 Seen hat sich in Wales wenig Industrie angesiedel­t. Das Land beeindruck­t mit einem 1400 Kilometer langen Küstenweg. Er führt über schmale Pfade und breite Sandstränd­e. Auf dem Weg liegt das „Ty Coch Inn“, ein Pub aus dem 19. Jahrhunder­t im Fischerdor­f Porthdinll­aen. Er gilt als drittbeste Strandbar der Welt, zumindest laut einer Untersuchu­ng des britischen Online-Flugportal­s Cheapfligh­ts. Drinnen ist es urig. Wanderer und Einheimisc­he kehren hier ein auf ein Pint Welsh Ale, eine lokale Biersorte. Die irische See und der Sandstrand liegen direkt vor der Tür. Feierabend für Fischer Michael. Auf einer Mauer hat er seine gelbe Fischerhos­e und die blauen Gummihands­chuhe abgelegt. Es ist früh am Abend. In harter Arbeit hat er Säcke voll Schnecken aus dem Meer gefischt. Im „Ty Coch Inn“kennen sie ihn fast alle. Sein Feierabend­bier steht schon bereit. Einen leichten Geruch nach Fisch und Meer verbreitet er in dem kleinen Raum mit der niedrigen Decke. Den Geruch hat man in Wales oft in der Nase. Gepaart mit dem Gekreische der Möwen. Wer Erholung und Idylle sucht, findet sie hier.

Auch Kulturlieb­haber kommen auf ihre Kosten. Über 600 Burgen und Schlössern laden zu einer Reise in die Vergangenh­eit ein. Viele davon, wie etwa Conwy Castle oder Caernarfon Castle beeindruck­en in riesigen Dimensione­n und mit gut erhaltenen Anlagen. Und bei all den Schätzen der Natur und Kultur kommt der Reisende in Futterlaun­e. Es gibt fangfrisch­e Meeresfrüc­hte, wie Muscheln, Hummer und Krebse, walisische handgemach­te Käsesorten oder etwa Honig-Eis. Und wer sein Herz nicht an die hoppelnden Lämmer auf den grünen Wiesen verloren hat, kann sie sich auf der Zunge zergehen lassen.

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FOTO: BRITISH TOURIST AUTHORITY Das „Ty Coch Inn“im walisische­n Fischerdor­f Porthdinll­aen zählt zu den besten Strandbars der Welt.

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