Auf der Suche nach der russischen Seele
St. Petersburg ist die Stadt großer Schriftsteller wie Fjodor Dostojewskji. In diesem Jahr ist sie auch einer der Austragungsorte der Fußball-WM.
ST. PETERSBURG (dpa) Die Klingel macht schlagartig hellwach. Was sich wie das Geläut eines altes Telefons aus der Wählscheiben-Ära anhört, ist hier das Signal zum Kopfeinziehen. Nur wenige Sekunden später rauscht das Schiff haarscharf unter einer Brücke hindurch. Die Klingel wird noch ein paar Mal losschrillen auf dieser Bootstour durch St. Petersburg. Denn das „Venedig des Nordens“hat mehr als 400 Brücken. Einen Teil davon bekommen Touristen auf den Ausflugsbooten von Iwan Sidorow zu sehen. Der 28-jährige bietet auf sechs Schiffen Exkursionen über die Flüsse und Kanäle Petersburgs an. Pflichtprogramm bei einem Besuch in Russlands zweitgrößter Stadt mit rund fünf Millionen Menschen.
Noch sind manche Brücken mit Planen abgedeckt. Auch die farbenfrohe Blutkirche mit ihren verspielten Zwiebeltürmchen ist eingerüstet. Denn die ehemalige Zarenmetropole macht sich unter Hochdruck hübsch. Wenn Mitte Juni Hunderttausende Fußballfans zur Weltmeisterschaft auch nach St. Petersburg kommen, muss alles perfekt sein.
Seit Mitte April hat der Betrieb auf den Wasserstraßen langsam an Fahrt aufgenommen. „Wir haben schon deutlich früher angefangen. Touristen kommen hier das ganze Jahr über.“Verschmitzt grinst Sidorow unter seinem Vollbart. „Es lohnt sich in dieser Stadt sowieso nicht, auf besseres Wetter zu warten“, sagt er. „Selten scheint die Sonne. Die Luftfeuchtigkeit ist enorm. Manche macht das depressiv. Hier gedeiht vor allem Moos gut, sonst aber nicht viel.“
Das große Geschäft macht Sidorow an diesem nasskalten Tag in der Tat nicht. Nur wenige der mehr als 30 Plätze sind besetzt. An Deck hat sich eine Handvoll Fahrgäste in blaue Decken gewickelt. Sidorows Geschäftspartner Juri Duka hat sich dazugesellt. Die beiden haben es sich auf der gepolsterten Sitzbank im Schiffsbauch gemütlich gemacht. Duka findet, Petersburg sei die ideale Stadt für eine Reise. „Das historische Zentrum ist riesengroß und hat viele Sehenswürdigkeiten. Die Flüsse und Kanäle machen dabei den besonderen Reiz aus“, sagt er. „Das neblige Klima gibt der Stadt einen romantischen Charme. Es ist wie eine Filmkulisse.“Behutsam navigiert das Boot über die Flüsse Mojka, Newa und Fontanka. Für einen schnellen Überblick über die wichtigsten Attraktionen ist die knapp einstündige Tour perfekt.
Es geht vorbei am Winterpalast, der mit seinem pastellfarbenenen Anstrich verzaubert. Er beherbergt das Kunstmuseum Eremitage. Dann erhaschen Besucher einen Blick auf die Peter-und-Paul-Festung. Hier begann St. Petersburgs Geschichte vor mehr als 300 Jahren.
Zar Peter der Große ließ 1703 die Sümpfe des Newa-Deltas trockenlegen, um mit einer neuen Metropole an der Ostsee Russlands „Fenster nach Europa“weit aufzustoßen. Rechts wie links der Wasserstraße stehen die Paläste Spalier. Sie zeugen vom Glanz des 18. und 19. Jahrhunderts, als Petersburg noch Hauptstadt war.
Die wachsenden politischen Spannungen zwischen Russland und dem Westen bereiten auch den Einwohnern der Heimatstadt von Präsident Wladimir Putin Sorgen. „Wir spüren deutlich, dass weniger Touristen kommen“, sagt Sidorow. „Wahrscheinlich haben sie Angst“, meint Duka. Dem gelte es entgegenzuwirken. „Für Petersburg wäre es gut, wenn ausländische Touristen für drei Tage ohne Visum einreisen dürften“, meint er.
Den Löwenanteil des Geschäfts machen bislang die russischen Touristen aus. Da dürfte die nahende Fußball-WM doch Hoffnungen wecken. Aber: Fehlanzeige. „Ich fürchte sogar, dass zur WM weniger russische Touristen kommen werden, weil sie denken, dass alles teurer ist als sonst“, sagt Duka. Dass die ausländischen Fans das ausgleichen werden, glaubt er nicht. „Wie wird das ablaufen? Sie kommen nach Petersburg, schauen sich ihr Spiel an und reisen nach einer Nacht wieder ab“, meint Duka.
Mit einem leichten Rums legt das Schiff wieder am Pier auf der Mojka an. Die Bootsfahrt ist vorbei. Cafés und Restaurants gibt es zuhauf auf dem angrenzenden Newski-Prospekt. Doch ein paar Schritte in die Viertel links wie rechts von Petersburgs Prachtstraße lohnen sich. Tiefer im Zentralny Rajon, dem zentralen Stadtbezirk, werben hippe Läden um die Gunst von Touristen und Einheimischen.
Nach einer Stärkung, etwa im rustikalen Café „Pyschki“, geht es weiter. Touristenfänger sind auf der Jagd. Über Lautsprecher preisen sie Stadtrundgänge an und Ausflüge zu den Schlössern Peterhof und Zarskoje Selo, der Zarensitz mit dem berühmten Bernsteinzimmer. Doch das sind Tagestouren, allein die Busfahrt dauert gut eine Stunde. Für eilige Besucher also keine Option.
Aber es gibt eine Alternative. Nur wenige Meter von der Admiralität am oberen Ende des Newski, beherbergt das Einkaufszentrum Admiral im sechsten Stock einen Geheimtipp: ein Miniatur-Petersburg des 18. Jahrhunderts. „Nehmen Sie ein Vergrößerungsglas für 150 Rubel?“, fragt die Kassiererin. „Das kleinste Teil ist nur fünf Millimeter groß.“Die Investition lohnt sich. Der Hofstaat beim Gelage, Militärs beim Exerzieren, Leibeigene bei der Arbeit – mit großer Liebe zum Detail sind hier Szenen aus der Blütezeit St. Petersburgs nachgestellt.
Dass WM-Touristen neben den Spielen sehr wahrscheinlich nur wenig Zeit für die Pracht von Piter – wie die Stadt im Volksmund genannt wird – haben, weiß auch Dmitri Geraschtschenko. Der 50Jährige arbeitet beim städtischen Touristenbüro und hat extra für Fans neue Touren durch die „nördliche Hauptstadt“ausgearbeitet. „Was kann man in drei Stunden vor dem Spiel anschauen?“, heißt eine Tour. „Sie führt an den wichtigsten Sehenswürdigkeiten vorbei. Das sind die Klassiker von St. Petersburg“,
So einfach können Autofahrer sparen
MÜNCHEN (dpa) Pfingstreisende, die mit dem Auto unterwegs sind, können einiges sparen, wenn sie beim Tanken auf die Uhrzeit achten. Ideal sei es, den Tank spätnachmittags oder abends aufzufüllen, rät der ADAC. Dann seien die Spritpreise erfahrungsgemäß besonders niedrig. Strategisches Tanken lohne sich wegen steigender Kraftstoffpreise aktuell ganz besonders.
Das gilt laut Autoclub auch im Ausland. Welcher Spritpreis Autofahrer dort erwartet und ob der Kraftstoff in einem anderen Land günstiger ist, wenn man sich in Grenznähe aufhält, verrät eine Online-Abfrage des ADAC. Sie gibt Auskunft über die aktuellen Durchschnittspreise für Benzin und Diesel in europäischen Ländern. www.adac.de sagt Geraschtschenko. „Die Gäste können aussteigen und Fotos machen, dafür reicht die Zeit.“
Fragt sich nur: Was tun, wenn das Glück die eigene WM-Mannschaft verlässt? Wenn eine Niederlage Piters Schönheit überschattet? Auch dafür hat ein Laden auf dem Newski-Prospekt eine Lösung: hemmungslos Porzellanteller zerdeppern. Und weil die Russen traditionell besonders abergläubisch sind, kann man noch schnell das Wunschergebnis für das nächste Spiel auf den Teller kritzeln, bevor man ihn mit Schmackes an die Wand pfeffert. Scherben bringen auch in Russland Glück.