Jogi Löw hat die Qual der Wahl
Bundestrainer Joachim Löw muss noch Spieler aus seinem Aufgebot streichen. Die Wackelkandidaten sind bekannt.
(sid) Sprints, intensive Spielformen, weniger Pausen: Joachim Löw hat die Zügel im Trainingslager der Fußball-Nationalmannschaft in Eppan deutlich angezogen. Eine Woche vor der Nominierung des endgültigen WM-Kaders verschärft sich vor der imposanten Bergkulisse Südtirols der Konkurrenzkampf. Bei der Lotterie „4 aus 27“will niemand die Nieten ziehen.
Die Spieler müssen dabei einen Spagat vollziehen. „Ja, es ist ein Wettkampf. Zugleich müssen wir schauen, dass wir als Team zusammenkommen. Jeder muss sich beweisen, sich zeigen. Aber der Zweck ist vor allem, dass wir fit werden und als Einheit näher zusammenrücken“, sagte Sebastian Rudy.
Der Münchner weiß ebenso wie Julian Brandt, wie schmerzvoll ein geplatzter Turnier-Traum in letzter Minute sein kann. Löw sortierte beide Spieler vor der EM 2016 in Frankreich aus. Rudy und Brandt zählen nun wieder zu den Wackelkandidaten. Zumindest der Leverkusener geht aber locker mit der Situation um. Sollte er es nicht in den endgültigen 23er-Kader schaffen, „dann wäre das keine Schande“, sagte der 22-Jährige: „Wir haben so viele gute Spieler. Ich weiß, wie schwer es ist, sich bei uns durchzusetzen.“
Die hohe Qualität und Leistungsdichte macht die Entscheidung für Löw schwer. „Ich habe keinem Spieler gesagt, dass er auf Bewährung da ist. Ich wollte auch keinen verunsichern. Alle müssen Gas geben“, erklärte der Bundestrainer, der zwei Tage nach dem Länderspiel in Klagenfurt gegen Österreich am kommenden Samstag (18 Uhr/ZDF) beim Weltverband Fifa seinen endgültigen Kader benennen muss.
Sollte Kapitän Manuel Neuer tatsächlich fit werden und als Nummer eins nach Russland fahren, muss Löw sich zwischen Kevin Trapp und Bernd Leno entscheiden. Jonathan Tah dürfte durch das Raster fallen, wenn Jérôme Boateng nach seiner Muskelverletzung im Adduktorenbereich zur Verfügung steht. Ein weiterer Streichkandidat ist neben Rudy und Brandt Überraschungsgast Nils Petersen. „Die Trainingsqualität ist eine andere. Ich muss jeden Tag an die Grenze gehen“, sagte der Freiburger ohne Länderspiel.
Dies gilt aber auch für seine Mitstreiter. „Ich kann garantieren, dass ich alles dafür tun werde, diesmal dabei zu sein“, sagte Brandt, während Rudy die WM seit längerer Zeit fest im Visier hat: „Ich habe versucht, mich in diesen zwei Jahren in eine Verfassung zu bringen, die es dem Bundestrainer noch schwerer machen soll, mich nicht zu berücksichtigen.“
Das Schicksal der Confed-Cup-Sieger Rudy und Brandt kennen auch andere Spieler des DFB-Teams. Marc-André ter Stegen und Julian Draxler erwischte es vor der EM 2012, Leon Goretzka wurde vor der WM 2014 aussortiert. Pechvogel Marco Reus spielte aufgrund zahlreicher Verletzungen die Europameisterschaft vor sechs Jahren als einziges großes Turnier.
Die Stimmung innerhalb der Mannschaft ist trotz der bevorstehenden kniffligen Personalfragen gut. Thomas Müller trieb im Training gestern wie gewohnt seine Scherze, bevor am Abend noch ein interner Test gegen die U20-Auswahl des DFB anstand. „Das Verhalten der Spieler ist einmalig. Natürlich sind wir in einer Leistungsgesellschaft, aber alle Spieler geben richtig Gas und halten zusammen. Das wird die Entscheidung am Schluss nicht einfacher machen“, sagte Löws Assistent Marcus Sorg.
Sorgen um seine Nominierung muss sich Weltmeister Toni Kroos nicht machen. Nach dem Champions-League-Hattrick mit Real Madrid stößt er am Samstag zum Team. In Österreich wird er nicht zum Einsatz kommen. Bei Löws WM-Lotterie muss der Mittelfeldstratege ohnehin nicht in die Trommel greifen.
„Ich habe keinem Spieler gesagt, dass er auf Bewährung da ist.“
Bundestrainer Joachim Löw
zur Kaderreduzierung