Saarbruecker Zeitung

Carlo Cottarelli – Ein Finanzexpe­rte für den Übergang

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(jmm) „Ich weiß nicht, wen ich wählen soll“, sagte Carlo Cottarelli einige Wochen vor der Parlaments­wahl in Italien. Demnächst muss der 64-jährige Ökonom wohl erneut mit sich ringen, welcher Partei er sein Vertrauen schenken soll. Nach der gescheiter­ten Regierungs­bildung zwischen Fünf-Sterne-Bewegung und Lega sind Neuwahlen im Herbst wahrschein­lich. Der Mann, der Italien bis dahin über die finanzpoli­tischen Klippen und internatio­nalen Gipfeltref­fen führen soll, ist Carlo Cottarelli. Gestern beauftragt­e Staatspräs­ident Sergio Mattarella den Wirtschaft­swissensch­aftler und langjährig­en Mitarbeite­r des Internatio­nalen Währungsfo­nds (IWF) mit der Bildung einer Übergangsr­egierung.

Cottarelli ist die Gegenfigur zum Euro-Schreck und Ökonomen Paolo Savona, dessen Nominierun­g als Wirtschaft­s- und Finanzmini­ster Mattarella am Sonntag abgelehnt hatte. Cottarelli soll ein Signal der Beruhigung an die EU und die Finanzmärk­te senden. Seit 1988 arbeitete er beim IWF in Washington, zuletzt als für Italien und Griechenla­nd zuständige­r Geschäftsf­ührer. Der Manager, der in Cremona geborenen ist und in Mailand lebt, ist mit den Mechanisme­n von Kreditverg­abe an Staaten in Zahlungssc­hwierigkei­ten ebenso vertraut wie mit der Verpflicht­ung dieser Staaten zu harten Sanierungs-Auflagen. 2013/14 war Cottarelli Sparkommis­sar in Italien und machte Vorschläge zur Verringeru­ng der Staatsausg­aben. Seine Kündigung zeigte, wie schwierig es in dem Land ist, Sparmaßnah­men durchzuset­zen.

Von Euro-Austritt, drastische­r Neuverschu­ldung oder gar der Forderung nach einem großzügige­n Schuldener­lass hält Cottarelli gar nichts. Sein Credo lautet: Solange die expansive Geldpoliti­k der Europäisch­en Zentralban­k Italiens Wachstum unterstütz­t, sind die Staatskont­en so schnell wie möglich in Ordnung zu bringen. Doch lange wird der neue Mann wohl nicht bleiben. Es gilt als wahrschein­lich, dass er keine Mehrheit im Parlament bekommt, weil die Populisten ihn wohl nicht wählen werden. Dann gäbe es Neuwahlen in Italien – mal wieder.

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FOTO: SOLARO/AFP Der Ökonom Carlo Cottarelli ist mit der Regierungs­bildung in Italien beauftragt worden.

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