Saarbruecker Zeitung

Merkel gerät in Bamf-Affäre in die Kritik

Die CDU bemüht sich nach Kräften, die Kanzlerin im Skandal um die Asylbehörd­e aus der Schusslini­e zu halten.

- VON HAGEN STRAUSS

Im Saal 2 300 des Paul-Löbe-Hauses soll Horst Seehofer (CSU) heute ab 15 Uhr liefern. Dann wird der Bundesinne­nminister den 46 Mitglieder­n des Innenaussc­husses in einer Sondersitz­ung zur Affäre um womöglich Tausende unrechtmäß­ige Asylbesche­ide Rede und Antwort stehen. Ebenso wie die heftig kritisiert­e Chefin des Bundesamte­s für Migration und Flüchtling­e (Bamf), Jutta Cordt. Während Seehofer schon im Vorfeld den Chefaufklä­rer gibt, halten sich andere bedeckt.

Zum Beispiel die Kanzlerin. SPD-Bundesvize Ralf Stegner feuerte daher gestern eine volle Breitseite gegen Angela Merkel (CDU) ab: „Sie schweigt, tut nichts und will den Kontrollve­rlust im Bamf aussitzen“, meckerte der Vize-Parteichef. Dabei habe sie auf dem Höhepunkt der Flüchtling­skrise 2015 und 2016 die Zuständigk­eiten eigens ins Kanzleramt geholt. Darauf angesproch­en, erklärte Regierungs­sprecher Steffen Seibert lediglich, die Kanzlerin verfolge den Fall „sehr intensiv“. Sie unterstütz­e Seehofers Bemühungen, „Aufklärung in diese ja doch sehr schwerwieg­enden Vorwürfe zu bringen“.

2015 hatte Merkel den früheren Chef der Bundesagen­tur für Arbeit, Frank-Jürgen Weise, kurzfristi­g zum Bamf-Chef befördert, damit er die Behörde auf Vordermann bringt. Bamf- Personalra­tschef Rudolf Scheinost warf Weise jetzt vor, dass unter seiner Leitung über das Grundrecht auf Asyl nur noch wie am Fließband entschiede­n worden sei. Pannen, Fehler und Unregelmäß­igkeiten inklusive. Außerdem machte Merkel den damaligen Kanzleramt­sminister und heutigen Wirtschaft­sminister Peter Altmaier (CDU) zum Flüchtling­skoordinat­or. Altmaier, der vor allem für die politische Gesamtkoor­dination zuständig gewesen ist, hat sich bislang ebenfalls noch nicht zur Affäre geäußert. Und dann erteilte Merkel dem damaligen Innenminis­ter Thomas de Maizière (CDU) den Auftrag, mit Gesetzen Ordnung in die Flüchtling­spolitik zu bringen. In seine Amtszeit fiel also das Chaos in der ihm unterstell­ten Behörde und in deren Außenstell­en. Etwa in Bremen, wo zwischen 2013 und 2016 mindestens 1200 Menschen ohne ausreichen­de Grundlage Asyl gewährt worden sein soll. Auch de Maizière hat bisher zum Skandal geschwiege­n.

Bei der CDU wollte man Merkel gestern unbedingt aus der Schusslini­e halten. Parteivize Julia Klöckner betonte, Stegner benutze die Sprache der AfD, „und das ist schon bemerkensw­ert“. CDU-Generalsek­retärin Annegret Kramp-Karrenbaue­r erklärte, die Kanzlerin nehme ihre Verantwort­ung wahr. Sie sei in die

„Sie schweigt, tut nichts

und will den Kontrollve­rlust im Bamf

aussitzen.“

SPD-Vize Ralf Stegner über Kanzlerin Angela Merkel (CDU)

Aufklärung­sarbeit eingebunde­n. Die Federführu­ng liege aber beim Innenminis­ter. „Das ist Horst Seehofer.“Er muss es also richten. Noch als bayerische­r Ministerpr­äsident hatte Seehofer Merkel heftig wegen ihrer Flüchtling­spolitik attackiert; dann war er ins Berliner Innenresso­rt gewechselt, um in der Flüchtling­s- und Sicherheit­spolitik durchzugre­ifen. Nun wird Seehofer von einer Affäre überrollt, die er zwar nicht verursacht hat, die ihm aber den Start ins Amt verhagelt und die er zügig in den Griff bekommen muss. Angesichts der Vorgeschic­hte ist manch einer in der CDU darüber nicht unglücklic­h.

Seehofer selbst blieb auch gestern gelassen. Die Vorgänge in Bremen seien Beleg für die Notwendigk­eit, „dass man die entscheide­nden Behörden zusammenfü­hrt“– und zwar in den von ihm geplanten, aber sehr umstritten­en Ankerzentr­en, in denen die Asylverfah­ren künftig komplett durchgefüh­rt werden sollen. Er verspüre keinen Druck, so der Minister. Im Ausschuss könnte sich das jedoch ändern, zumal es eine lange Sitzung werden kann. Allein die Grünen haben einen Katalog mit fast 60 Fragen an Seehofer vorgelegt.

 ?? FOTO: ROLF VENNENBERN­D/DPA ?? Tut sie zu wenig? In der Affäre um unrechtmäß­ig bewilligte Asylanträg­e gerät jetzt auch Bundeskanz­lerin Angela Merkel in die Kritik. Ihr wird vorgeworfe­n, den Skandal auszusitze­n.
FOTO: ROLF VENNENBERN­D/DPA Tut sie zu wenig? In der Affäre um unrechtmäß­ig bewilligte Asylanträg­e gerät jetzt auch Bundeskanz­lerin Angela Merkel in die Kritik. Ihr wird vorgeworfe­n, den Skandal auszusitze­n.

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