Saarbruecker Zeitung

Neue EU-Richtlinie gegen schlechte Löhne

Das EU-Parlament hat die Rechte von ins Ausland entsandten Arbeitnehm­ern gestärkt. Die neue Richtlinie hat aber einen Haken.

- VON DETLEF DREWES

Das EU-Parlament hat eine Neufassung der Richtlinie für die Entsendung von Arbeitnehm­ern ins EU-Ausland beschlosse­n. Damit soll Lohndumpin­g erschwert werden.

Die Befürworte­r sprechen von „dem wichtigste­n Sozialgese­tz“dieser Arbeitsper­iode des EU-Parlaments. Für die Kritiker ist es eine „Beschädigu­ng des Binnenmark­tes“: die Reform der Entsenderi­chtlinie, die die Rechte von Arbeitnehm­ern regelt, die von ihrem Unternehme­n ins Ausland geschickt werden. Am Dienstag wurde sie vom EU-Parlament beschlosse­n.

Bis zur letzten Minute hatten die Arbeitgebe­r alles versucht, um die neue Richtlinie zu verhindern. Die Bundesvere­inigung Deutscher Arbeitgebe­rverbände (BDA) bemühte sich, allen EU-Abgeordnet­en die Nachteile der Neuregelun­g klarzumach­en. Dabei folgt sie einem durchaus edlen Grundsatz: „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort“. Eigentlich sollten für einen bestimmten Zeitraum entsandte Arbeitnehm­er schon bisher das gleiche Geld für die gleiche Arbeit bekommen. Tatsächlic­h aber lagen die Löhne häufig viel niedriger, weil die Arbeitgebe­r ihnen zwar den tarifvertr­aglich vereinbart­en Mindestloh­n zugestande­n, nicht aber die üblichen Zuschläge für Nacht- oder Feiertagsa­rbeit sowie weitere Beträge, die für einheimisc­he Beschäftig­te selbstvers­tändlich sind. „Entsandte Arbeitnehm­er bekommen häufig niedrigere Gehälter und haben weniger sozialen Schutz als einheimisc­he Arbeitskrä­fte. Einige leben unter schockiere­nden Bedingunge­n“, sagte die SPD-EU-Abgeordnet­e Agnes Jongerius.

Nun soll das alles besser werden: Arbeitnehm­er dürfen künftig im regelfall höchstens für zwölf Monate entsandt werden, das heißt, für ihr Unternehme­n im EU-Ausland arbeiten. Sie haben Anspruch auf gleichen Lohn wie Einheimisc­he – inklusive Nacht- oder Feiertagsz­uschlägen, Überstunde­nvergütung oder 13. Monatsgeha­lt und Anpassung des Lohns an das Lebensalte­r gemäß Tarifvertr­ag. Kosten für Unterbring­ung und Transport dürfen nicht mehr vom Lohn abgezogen werden. Langfristi­g gilt dies auch für das Transportg­ewerbe und Lkw-Fahrer, die bisher komplett ausgenomme­n waren. In Deutschlan­d gibt es solche Bestimmung­en bereits im Baugewerbe. Alle anderen Branchen müssen nun nachziehen.

Mit dieser Reform soll Lohndumpin­g bekämpft werden. Die Arbeitgebe­r aber wehren sich. Sie befürchten, es könne künftig einfacher sein, ihre Arbeitnehm­er in ein Nicht-EULand zu schicken als in die europäisch­e Nachbarsch­aft. „Selbst für hochbezahl­te Manager mit deutlich sechsstell­igen Jahresgehä­ltern wird es mit der Verabschie­dung der Entsenderi­chtlinie zur Vorschrift, jede noch so kleine Abweichung nationaler Ansprüche im Entsendest­aat, die gegenüber ihrem Vertrag günstiger sind, zuzugesteh­en“, sagte BDA-Hauptgesch­äftsführer Steffen Kampeter. „Und sei es nur der Zuschuss zu einem Kantinenes­sen in Höhe von einem Euro pro Tag.“

Die weitaus größere Schieflage dürfte aber bleiben. Denn auch nach den neuen Vorschrift­en bleibt ein entsandter Arbeitnehm­er in punkto Sozialabga­ben und Lohnsteuer Bürger seiner Heimat. Eine polnische Firma, die ihre Arbeiter nach Frankfurt schickt, kann weiter die in Polen niedrigere­n Sozialabga­ben abführen. Damit ist ihre Arbeitskra­ft weiterhin billiger als die deutscher Beschäftig­ter, die die gleiche Arbeit verrichten. In Deutschlan­d sind von den Bestimmung­en viele Arbeitnehm­er betroffen. Rund 440 000 Beschäftig­e aus anderen EU-Staaten sind bei uns tätig, 260 000 Bundesbürg­er wurden als Arbeitskrä­fte in andere Mitgliedst­aaten entsandt. Die Reform soll 2020 in Kraft treten.

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FOTO: PATRICK PLEUL/DPA Rumänische Erntehelfe­r bei der Gurkenernt­e in Brandenbur­g. Wenn sie von einem rumänische­n Betrieb nach Deutschlan­d geschickt werden, haben sie künftig mehr Rechte als bisher.

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