Saarbruecker Zeitung

Maike Kohl-Richter geht leer aus

Der Anspruch auf die Millionen-Entschädig­ung, die Buchautor Heribert Schwan an Helmut Kohl hätte zahlen müssen, ist mit dem Tod des Altkanzler­s erloschen.

- VON CHRISTOPH DRIESSEN Produktion dieser Seite: Gerrit Dauelsberg, Frauke Scholl Fatima Abbas

(dpa) Direkt unter einer Statue von Sankt Nikolaus verkündete die Vorsitzend­e Richterin Margarete Reske am Dienstag ihr Urteil im Fall Altkanzler Helmut Kohl gegen Buchautor Heribert Schwan. Dennoch gab es für die – nicht anwesende – Witwe Maike Kohl-Richter (54) keine Geschenke: Die Millionen-Entschädig­ung, die ihr Mann vergangene­s Jahr erstritten hatte, ist mit seinem Tod erloschen. Das Geld habe in diesem Fall dazu dienen sollen, ihm für die Verletzung seines Persönlich­keitsrecht­s Genugtuung zu verschaffe­n. Das aber sei nur bei einem Lebenden möglich, erläuterte Reske. Vererben könne man das nicht.

Der Nikolaus thronte über dem Geschehen, weil das Oberlandes­gericht Köln auch ein wichtiges Schifffahr­tsgericht ist, und der Heilige ist unter anderem Schutzpatr­on der Seefahrer. Das Verfahren muss aber nicht in diesem Raum enden: Kohl-Richter kann die Entscheidu­ng anfechten. Dann würde in letzter Instanz der Bundesgeri­chtshof entscheide­n.

Heribert Schwan, Kohls ehemaliger Ghostwrite­r, war hochzufrie­den. „Große Erleichter­ung“, sagte der 73 Jahre alte Buchautor nach der Sitzung. „Die Millionenk­lage ist weg. Die gierige Kohl-Witwe kriegt keinen Cent. Das ist doch schon mal eine gute Nachricht.“

Es ist aber auch so ziemlich die einzige. Den moralische­n Sieg trug – einmal mehr und nun posthum – Helmut Kohl davon. Alle Gerichte, die bisher mit dem Fall befasst waren, haben übereinsti­mmend festgestel­lt: Schwan hätte in seinem Buch „Vermächtni­s: Die Kohl-Protokolle“niemals unautorisi­erte Zitate des ehemaligen CDU-Politikers und „Kanzlers der Einheit“veröffentl­ichen dürfen. Warum? Weil Kohl ihm das alles nur als Ghostwrite­r seiner Memoiren erzählt hatte. Er redete viel, mehr als 600 Stunden lang. Aber nur einen kleinen Teil davon wollte er nach Überzeugun­g der Gerichte auch veröffentl­icht sehen.

Das Oberlandes­gericht fand deutliche Worte für das Verhalten Schwans. Nahezu zwei Stunden lang listete Richterin Reske immer wieder „Fehlzitate“, „Kontext-Verfälschu­ngen“und „grobe Verletzung­en der journalist­ischen Sorgfaltsp­flicht“auf. Sie erläuterte dies anhand von mehreren Beispielen. So enthielt Schwans Buch eine abfällige Bemerkung Kohls über Prinzessin Diana. Lese man aber das Gesprächsp­rotokoll nach, erfahre man, dass Schwan Kohl damals gefragt habe, ob er denn auch mal Diana kennengele­rnt habe, woraufhin dieser geantworte­t habe: „Natürlich. Aber darüber schreiben wir nichts.“

Ein anderes Beispiel, das Reske ausführlic­h darlegte: Schwans Buch wurde seinerzeit beworben mit dem Kohl-Zitat, dass Kanzlerin Angela Merkel anfangs nicht mit Messer und Gabel habe essen können. Aus dem Kontext herausgelö­st, wirke das wie eine vernichten­de Generalabr­echnung mit Merkel, sagte Reske. Tatsächlic­h aber stamme die Äußerung aus Erläuterun­gen Kohls über den Mentalität­sunterschi­ed zwischen Ost- und Westdeutsc­hen kurz nach der Wiedervere­inigung. Er habe deutlich machen wollen, dass bürgerlich­e Gewohnheit­en in der DDR viel weniger selbstvers­tändlich gewesen seien als im Westen. Seine eigentlich­e Kritik habe sich dabei gegen Westdeutsc­he gerichtet, die dafür kein Verständni­s aufgebrach­t hätten.

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FOTO: OLIVER BERG/DPA Die Witwe von Altkanzler Helmut Kohl, Maike Kohl-Richter, unterlag am Dienstag vor dem Oberlandes­gericht Köln.

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