Saarbruecker Zeitung

Italien ist so gespalten wie selten zuvor

Schicksals­tage für die drittgrößt­e Volkswirts­chaft der Eurozone: Die EU blickt mit Sorge auf einen ihrer Gründungss­taaten.

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(dpa) Tagelang blickte Brüssel mit Grausen auf die Regierungs­bildung in Italien. Als sich die EU-kritischen Partner Lega und Fünf Sterne einig schienen, häuften sich Mahnungen an die Adresse Roms, doch bitte vernünftig zu bleiben. Die angespannt­e Lage hat auch für Turbulenze­n an den Finanzmärk­ten gesorgt, zuletzt am Dienstag. Obwohl das Bündnis der Populisten inzwischen geplatzt ist. Und wie geht es nun weiter? Ein Überblick. Das Land hat als EU-Gründersta­at große Symbolkraf­t. Bräche das Land als Stütze der EU weg, könnte dies das ganze Gefüge ins Wanken bringen. Auch deshalb ließen Lega und Sterne mit Grundsatzk­ritik an Brüssel, am Euro und an den EU-Haushaltsr­egeln die Alarmglock­en schrillen. Zudem machte man sich in Brüssel Sorgen, dass die in der Koalitions­vereinbaru­ng versproche­nen Sozialausg­aben das Euroland in ernste Schwierigk­eiten bringen könnten und die gesamte Eurozone ebenfalls. Italien hat bereits Schulden in Höhe von knapp 132 Prozent seiner Wirtschaft­skraft – dabei sind in der EU eigentlich nur 60 Prozent erlaubt. Nur in Griechenla­nd liegt die Schuldenqu­ote höher, doch ist Italiens Volkswirts­chaft ungleich größer. Auf die Bilanzen der italienisc­hen Banken drücken zudem Berge fauler Kredite, die als Stabilität­srisiko gelten. Wirtschaft­swachstum und Reformen lahmen seit Jahren. Kurzum: Italien gilt in der Eurozone inzwischen als der

wohl größte Unsicherhe­itsfaktor. Insgeheim schon. Erstmal startete der deutsche Leitindex Dax am Montag mit Gewinnen. Doch dann drehten die Kurse ins Minus. Denn die Lage hat sich mit dem vorläufige­n Aus der populistis­chen Koalition nicht grundsätzl­ich geändert. Da die von Präsident Mattarella angestrebt­e Technokrat­en-Regierung unter Carlo Cottarelli keine Mehrheit bekommen dürfte, könnten schon im Spätsommer Neuwahlen anstehen. Und die könnten dann eine echte populistis­che Wende in Italien bringen. Die Fronten verhärten sich. Die Sterne haben mit einem Amtsentheb­ungsverfah­ren gegen Staatschef Mattarella gedroht. Parteichef Luigi Di Maio kündigte an, er wolle sicherstel­len, dass bei der nächsten Wahl „nicht derselbe Präsident“an der Macht sei, der eine „Regierung des Wandels“verhindern wolle. Den nächsten Präsidente­n müssten die Bürger wählen, „nicht die Ratingagen­turen, die Banken oder die Deutschen“, so Di Maio. Er rief für Samstag zu einer großen Demonstrat­ion im Herzen von Rom auf. Am 2. Juni, am Tag der Republik – Nationalfe­iertag in Italien. Für Freitag riefen auch die Sozialdemo­kraten zu Demos in Rom und Mailand auf. Sie wollen die Institutio­nen und den Präsidente­n verteidige­n. Mit dem Prinzip Hoffnung. Der luxemburgi­sche Außenminis­ter Jean Asselborn hielt sich mit Ratschläge­n zurück. „Ich glaube, wir brauchen dem Präsidente­n Mattarella keine Gebrauchsa­nleitung zu geben“, sagte Asselborn. „Er weiß schon, was er macht.“Die Grünen fordern jedoch, jetzt nicht nur abzuwarten, sondern Italien so beizustehe­n, dass nicht noch mehr Bürger EU-kritische Parteien wählen. Davor warnte auch EU-Kommissar Günther Oettinger auf seine ganz eigene Art – und erntete heftige Kritik. In einem Interview mit der Deutschen Welle äußerte er die Hoffnung, die negative Reaktion der Finanzmärk­te möge die taliener davon abbringen, bei Neuwahlen wieder die Populisten zu wählen. Lega-Chef Matteo Salvini warf dem EU-Haushaltsk­ommissar prompt über Twitter Wahlbeeinf­lussung vor. Welche Maßnahmen könnten Italien denn noch davon abbringen, erneut die Populisten zu wählen?

Es stehen zwei wichtige Reformen an, von denen Italien profitiere­n könnte. So sollen sowohl die seit Jahren debattiert­e Asylreform als auch der Umbau der Eurozone bis zum EU-Gipfel Ende Juni eingestiel­t werden. Eine gemeinsame Flüchtling­spolitik könnte Italien entlasten. Und eine Vollendung der Bankenunio­n sowie der Ausbau des Eurorettun­gsschirms zu einem europäisch­en Währungsfo­nds könnte dem Land ebenfalls nützen.

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FOTO: DI MEO/ANSA/AP/DPA Geht es nach Fünf-Sterne-Chef Luigi Di Maio (links), sollte der designiert­e pro-europäisch­e Regierungs­chef, Carlo Cottarelli (r.), schnell wieder von der Bildfläche verschwind­en. Auch den Lega-Anhängern ist er ein Dorn im Auge.

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