So gemein sind Werbebotschaften
Nicht nur Falten und graue Haare: Wie mich ungewollte Hinweise auf mein fortschreitendes Alter allmählich in den Wahn treiben.
Jeden Tag eine Falte mehr. Die Furchen finden ihren Platz, obwohl ich allmorgendlich felsenfest davon überzeugt bin: Da ist absolut kein Platz für noch mehr zerklüftete Landschaften in meinem Gesicht. Jeden Tag ein graues Haar mehr – an den Stellen, wo noch welche sprießen. Mittlerweile bekomme ich Sonnenbrand auf Partien, wo einst wallendes Haar Schutz vor den Strahlen bot. Ich trage nun des Öfteren eine Kopfbedeckung. Ja, auch bei der Autofahrt. Und ich verstehe nun allzu gut, warum dies Herren zumeist im gesetzten Alter ebenso halten. Übrigens: Jene Plätze, an denen mein Körper eher dicht bewaldet ist, haben sich über die Jahre verlagert. Ohne diese Stellen näher zu beschreiben und Sie mit Intimitäten allzu sehr zu behelligen: Ich bin im Besitz eines Ohren- und Nasenhaartrimmers. Die Batterien muss ich regelmäßig wechseln. Eine Annonce hatte mich zum Kauf angeregt, nachdem ich mit einer haushaltsüblichen Pinzette nicht mehr Herr der Lage wurde und qualvolle Schmerzen die Prozedur begleiteten. Auf dem Reklamebild: natürlich ein fröhlicher Senior, der das Gerät freudestrahlend in die Nüstern einführt.
Auch ansonsten flattert regelmäßig mannigfaltiges Infomaterial hinsichtlich meines fortschreitendes Alters in den häuslichen Briefkasten. Zuletzt bot mir ein Verlag per Postwurfsendung an, mir ein weiteres Buch zuzulegen, das mir den Gebrauch des Computers vereinfachen soll. Der Titel des brachialen 342 Seiten umfassenden Werkes: „Senioren im Zeitalter 2.0 – Die Angst vor der Technik verlieren.“Vielen Dank auch.
Es nützt nichts: Ich muss dringend an meinem Äußeren arbeiten, um den rapiden Alterungsprozess wenigstens ansatzweise in den Griff zu kriegen. Denn der jüngste verbale Schlag in die Magengrube ereilte mich beim Bummel durch die Stadt. Dort reichte mir ein lächelnder Teenager einen Wurfzettel und säuselte: „Bitte schön, ich habe hier was für Sie.“Ich dankte – bevor ich draufschaute. Ansonsten hätte ich mir diese Geste sicherlich verkniffen. Eine bodenlose Frechheit. In großen Lettern war zu lesen: „Selbstbestimmtes Leben bis ins hohe Alter“.