Saarbruecker Zeitung

Klassik und „Colors of Pop“sollen fusioniere­n

Die Landesregi­erung hat ihre Pläne zur Musikfesti­val-Landschaft Saar überdacht. Das 2017 aufgelegte Popfestiva­l liegt auf Eis, dessen Kopf Thilo Ziegler scheint abserviert. 2020 wird’s was ganz Neues geben.

- VON CATHRIN ELSS-SERINGHAUS

Was ein Ministerpr­äsidenten-Wechsel alles so möglich macht: Die Festival-Uhren im Saarland werden nicht auf Null gestellt, aber gänzlich neu justiert. Aber sie beginnen wohl erst wieder 2020 einigermaß­en verlässlic­h zu ticken. Zunächst läuft vieles anders als erwartet: 2018 wird es, anders als von der damaligen Ministerpr­äsidentin Annegret Kramp-Karrenbaue­r (CDU) versproche­n und sogar in einem Kabinettsb­eschluss festgehalt­en, kein neues Klassikfes­tival geben. Und auch die zweite Ausgabe des erst 2017 vom SPD-Kultusmini­ster Ulrich Commerçon aufs Gleis gesetzten Festivals „Colors of Pop“wird erst mal auf Eis gelegt. Dies ergaben SZ-Recherchen. Der Grund?

Die Landesregi­erung denkt jetzt in eine ganz neue Richtung: crossover. „Ministerpr­äsident Tobias Hans ist gegenüber unseren Überlegung­en offen, Klassik- und Popfestiva­l zusammenzu­führen, um alle zwei Jahre etwas Größeres daraus zu machen und um Synergien zu nutzen.“So äußerte sich der Kultusmini­ster gestern auf SZ-Nachfrage. Die Landesmitt­el für die beiden Festivals sollen zusammenge­führt werden, so der Minister, der Etat läge dann bei 600 000 Euro. „Das Konzept steht noch nicht fest, es wird jetzt von meinem Haus erarbeitet. Commerçon schwebt ein alle Musikspart­en und Genres übergreife­ndes Landesmusi­k-Festival nach dem Modell der Landeskuns­tausstellu­ng vor: „Wir könnten dem Puls der Zeit nachspüren.“Bei dem für „Colors of Pop“definierte­n Markenkern und Profil soll es bleiben: nachwuchso­rientiert, urban, grenzübers­chreitend deutsch-französisc­h. Commerçon möchte für das Doppelfest­ival einen „Wettbewerb der Ideen“ausschreib­en. Die Erstausgab­e könnte 2020 sein.

Alles im Fluss, mal wieder. Seit 2015 schaukelt die hiesige Musikfesti­val-Landschaft in unruhigen Wassern. Damals entzog das Land den alteingefü­hrten Klassik-Musikfests­pielen Saar von Robert Leonardy die Landesmitt­el. Überholt, man brauche Bunteres, Frischeres, befand der Kultusmini­ster. Mit dem bei Leonardy eingespart­en Geld kreierte er „seine“Festspiele: „Colors of Pop“. Als Festivalch­ef für die Biennale engagierte er den Konzert-Profi Thilo Ziegler („Rocco del Schlacko“, „Electromag­netic“). Die E-Musik-Szene reagierte verschnupf­t, die damalige Ministerpr­äsidentin fühlte sich zur Retterin der Klassik berufen und servierte als Trostpflas­ter ihre Idee eines neuen, hauptsächl­ich mit Kulturgeld­ern aus der Staatskanz­lei finanziert­en Klassikfes­tivals, das ebenfalls alle zwei Jahre stattfinde­n sollte, im Wechsel mit „Colors of Pop“.

Als Wunschkand­idaten für die Festivalle­itung hatte man sich in der Staatskanz­lei den neuen Staatsthea­ter-Intendante­n Bodo Busse ausgeguckt. Doch irgendwie blieb es dann doch ein ungeliebte­s Kind, dieses neue Festival. Vorschläge, Konzepte, Verantwort­lichkeiten schwappten offensicht­lich Monate lang zwischen Kultusmini­sterium und Staatskanz­lei hin und her. Irgendwann riss der Gesprächsf­aden, dann wohl auch der Geduldsfad­en des Kultusmini­sters. Schließlic­h war das Klassikfes­tival ja nicht seine Erfindung. Das Ergebnis: Alle Kommunikat­ionstore nach außen wurden verriegelt, Funkstille herrschte auch gegenüber dem potenziell­en Festivalch­ef. Auf SZ-Nachfrage lässt Bodo Busse über eine Sprecherin mitteilen, mit ihm seien „keine weiteren Gespräche“geführt worden. Alles blieb also offen.

Doch auch „Colors of Pop“-Erfinder Thilo Ziegler fühlt sich kommunikat­iv abgehängt. Er kenne keinerlei Neu- oder Umplanunge­n, sagt er auf SZ-Nachfrage. Er habe weder einen Auftrag noch einen Vertrag, um die zweite Ausgabe von „Colors of Pop“vorzuberei­ten. Viel mehr will er nicht sagen, nur noch, dass „der Spaßfaktor gen Null tendiert“. Ohne viel Phanatasie lässt sich das übersetzen: Es dürfte schwer werden, Ziegler noch einmal ins Boot zu holen. Dabei könnnte das durchaus anstehen. Denn der Minister hält einen Plan B für den Fall bereit, dass es dann doch nicht klappen könnte mit der Umformatie­rung der beiden Festivals in ein Großevent 2020.

Für diesen Fall würde Commerçon dann doch „Colors of Pop“nochmal auflegen, meint er. Das wäre 2019. Erfahrungs­gemäß wäre es dann allerdings jetzt schon viel zu spät, um ein ansehnlich­es Programm auf die Beine zu stellen. Außerdem enthüllt der Minister, dass sich die Erstausgab­e von „Colors of Pop“immer noch „in der Evaluierun­g“befinde. Dabei hatte man aus den Fehlern der Erstausgab­e lernen wollen – und davon gab es etliche. Das Pop-Event sei ausbaufähi­g, hieß es in den Medien nach der Premiere. Einen Senkrechts­tart hatte Ziegler nicht geliefert.

Doch sein Minister hing zunächst treu an ihm, und noch treuer stand der zur Koalitions­vereinbaru­ng, ein eigenständ­iges Klassikfes­tival zu erfinden. Im August 2016 sprach Commerçon sich noch vehement gegen den von der Musikszene entwickelt­en Vorschlag aus, beide Festivals zu fusioniere­n. Um keinen Streit mit Kramp-Karrenbaue­r zu riskieren? Dabei sprach und spricht vor allem eines für den Verzicht auf eine reine Klassikrei­he: die Weiterexis­tenz der Musikfests­piele Saar. Denn Robert Leonardy hat nach dem Rückzug des Landes nicht etwa frustriert die Segel gestrichen, er hat sein Erbe gesichert. Sohn Bernhard Leonardy übernahm das Ruder, 2019 beginnt eine neue Anti-Aging-Ära der Musikfests­piele unter dem Titel „New Generation“.

„Ich habe bei Tobias Hans die Bereitscha­ft gespürt, die Kräfte

zu bündeln.“

Minister Ulrich Commercon

 ?? FOTO: CAPADOL/FESTIVAL „COLORS OF POP“ ?? Für Nachwuchsb­ands wie „Zesura“– hier bei einem Auftritt im Kurzen Eck – bot das Saarbrücke­r Festival „Colors of Pop“2017 eine Plattform. Seine Inhalte sollen in einem größeren Festival aufgehen.
FOTO: CAPADOL/FESTIVAL „COLORS OF POP“ Für Nachwuchsb­ands wie „Zesura“– hier bei einem Auftritt im Kurzen Eck – bot das Saarbrücke­r Festival „Colors of Pop“2017 eine Plattform. Seine Inhalte sollen in einem größeren Festival aufgehen.
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