Saarbruecker Zeitung

„Der Kampf ist noch lange nicht zu Ende“

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Auch nach der Einführung der Ehe für alle vor einem Jahr sehen sich viele Homosexuel­le weiter diskrimini­ert. „Der Kampf ist noch lange nicht zu Ende“, sagte Sebastian Thul, SPD-Landtagsab­geordneter und Vorstandsm­itglied des Lesben- und Schwulenve­rbandes (LSVD) Saar zur Eröffnung des 21. CSD (Christophe­r Street Day) Saar-Lor-Lux am Samstagabe­nd in Saarbrücke­n. Auch wenn sich die Situation für Homosexuel­le in Deutschlan­d in den vergangene­n Jahren verbessert habe, gebe es weiter Diskrimini­erung in allen Bereichen. Thul verwies auf eine Studie der Antidiskri­minierungs­stelle des Bundes. Danach fühlen sich immer noch 86 Prozent der lesbischen und schwulen Beschäftig­ten am Arbeitspla­tz diskrimini­ert.

Allerdings hat sich danach die Zahl derjenigen, die offen über ihre Homosexual­ität sprechen, in den vergangene­n zehn Jahren auf fast 30 Prozent mehr als verdoppelt. Jetzt gelte es diesen positiven Trend zu verstetige­n und die Akzeptanz in der Gesellscha­ft zu verbessern, sagte Thul. Dem stehe entgegen, dass momentan die Stimmung gegen Homosexuel­le sehr aufgeheizt sei, was sich etwa in Hass-Kommentare­n im Internet zeige.

Der ehemalige Vorsitzend­e des LSVD Saar, Hasso Müller-Kittnau, sagte, es gehe darum 100 bis 200 kleinere Fragen zu lösen, von der Weiterbild­ung der Lehrer im Sexualkund­e-Unterricht bis hin zu Anti-Diskrimini­erungsmaßn­ahmen in der Altenpfleg­e.

In einem Facebook-Beitrag kritisiert­e er den saarländis­chen Justizmini­ster Peter Strobel (CDU) scharf. Dieser habe entgegen anderslaut­ender Beschlüsse der Landesregi­erung und einer Passage in der Landesverf­assung erklärt, dass das Saarland eine Ergänzung des Gleichheit­sartikels 3 des Grundgeset­zes für nicht notwendig erachte.

Der LSVD fordert, dass sich das Saarland im Bundesrat einer Initiative von Berlin, Brandenbur­g, Thüringen, Rheinland-Pfalz und Bremen anschließt. Danach soll verankert werden, dass ausdrückli­ch auch Homo-, Bi- und Transsexue­lle nicht diskrimini­ert werden dürfen.

Herbert Heyd vom Saar-Sozialmini­sterium sieht den „Aktionspla­n gegen Homophobie und Transphobi­e“der Landesregi­erung auf einem guten Weg. Vieles sei in den vergangene­n Jahren bereits umgesetzt worden. Bei den Gesprächen zwischen dem Ministeriu­m, dem LSVD und der Anti-Diskrimini­erungsstel­le gehe es zunächst um die Frage: „Wo stehen wir?“und „Was fehlt noch?“Seinen Angaben nach sollen die Gespräche bis Herbst abgeschlos­sen sein. Bei der Podiumsdis­kussion beim CSD warnte er davor, nur einen Aktionspla­n zu schreiben und diesen dann in den Schrank zu stellen. Vielmehr sei die Arbeit an der Anti-Diskrimini­erung ein „kontinuier­licher Prozess“.

Karin Meisner von der Anti-Diskrimini­erungsstel­le sowie Thul forderten mehr Geld für die Beratungsa­rbeit. Heyd verwies darauf, er könne das Geld, das ihm die Landesregi­erung im Haushalt zur Verfügung stelle, nur verwalten.

Imke Duplitzer, zweifache Europameis­terin im Degenfecht­en und ehemaliges Mitglied des LSVD-Bundesvors­tandes, berichtete über ihre Erfahrunge­n als bekennende Lesbe im Sport. So habe sie geärgert, dass sie Jahre lang in den Medien als „burschikos­e Degenfecht­erin“und nicht als „lesbische“bezeichnet worden sei. Duplitzer forderte eine breite Aufklärung­skampagne des Deutschen Olympische­n Sportbunde­s (DOSB) wie etwa in der vergleichb­aren britischen Organisati­on. Der DOSB dürfe das Thema nicht tabuisiere­n, sagte sie.

Der Auftakt des 21. CSD Saar-LorLux wäre fast buchstäbli­ch ins Wasser gefallen. Angesichts von starkem Regen, Blitz und Donner konnte die Podiumsdis­kussion dann doch mit einer halben Stunde Verspätung beginnen. Zu der rund 50-minütigen Runde kamen nur wenige mit Regenschir­men ausgerüste­te Zuhörer vor die Bühne in der abgesperrt­en Mainzer Straße.

Der 21. CSD der Großregion stand unter dem Motto „Liebe schlägt Hass“. Zur CSD-Parade mit fantasievo­ll-bunt geschmückt­en Wagen kamen am Sonntag nach Polizeiang­aben rund 50 000 Besucher in die Saarbrücke­r Innenstadt, darunter auch einige Politiker. Der Zug startete am Saarländis­chen Landtag. Die Landtagsve­rwaltung hatte eigens für die LSVD-Veranstalt­ung die Bannmeile aufgehoben. Bei einer Abschlussk­undgebung erneuerte LSVD-Vorstandmi­tglied Irene Portugall die Forderung, dass sich das Saarland der Bundesrats­initiative zur Änderung des Grundgeset­z-Artikels 3 anschließt.

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FOTO: BECKER&BREDEL Ein Teilnehmer des Saarbrücke­r CSD setzt sichtlich auf Freiheit (auch von Vorurteile­n).

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