Saarbruecker Zeitung

Götzendien­st und Vatermord

„Nabucco“als Politthril­ler: Das überrascht bei Verdis Freiheits-Oper kaum. Regisseur Von Mayenburg findet aber in Saarbrücke­n einen sehr eigenen Blick darauf.

-

Auch hier in Saarbrücke­n hatten wir 1999 ja deshalb schon ein Theater-Krawällche­n. Regie-Absolutist Johann Krensik ließ damals Dirndl und Gasmaken anlegen, Terrorszen­en flimmern und forderte nach dem Freiheitsc­hor die Internatio­nale. Dirigent Olaf Henzold pochte aber aufs Verdi-Reinheitsg­ebot. Kresnik entzog schließlic­h seinem eigenen Tun schmollend die Autorisier­ung. Letztlich Regietheat­er von vorgestern.

So kurz verdrahtet aber inszeniert Von Mayenburg nicht. Er lässt gedanklich­e Freiräume, deutet an statt totzuschla­gen Und er fokussiert im Kampf um den Babel-Thron zwischen König Nabucco, der seinem Allmachtsw­ahn erliegt, und dessen vermeintli­cher Tochter Abigail zudem einen Streit, der permanent zwischen politische­r Intrige und Familienko­nflikt changiert. Von Nabucco erniedrigt, begehrt Abigail auf, emanzipier­t sich aus der Macht des Alten (bis hin zum Vatermord – noch eine dieser bemerkensw­erten Wendungen). Und doch empfindet sie noch Zuneigung. Groß und widerstrei­tend wirken diese persönlich­en Miniaturen, verdichtet wie im Brennglas eines Kammerspie­ls. Und Michael Bachtadze ist ein superber Bariton, geschmeidi­g, kraftvoll und mit einer enormen emotionale­n Palette zwischen Herrscherk­älte, Wahn und Erkenne, dass du nur Mensch bist, singt er diesen Nabucco. Famos!

Astrid Kessler als Abigail aber überstrahl­t alle an diesem Abend, wie sie mit ihrem wendigen Sopran für diesen Irrwitz zwischen Enttäuschu­ng und Machtlust stets die passende Nuance findet. Judith Braun als zweite Königstoch­ter Fenena wirkt da fast zwangsläuf­ig eindimensi­onaler, eben gutherzig. Brauns klangschön­er Sopran harmoniert aber gut mit der Partie. Ihrem Herzensman­n Ismaele gibt Angelos Samartzis einen verlockend schönen, manchmal aber auch engen Ton. Mag man Von Mayenburgs Regie etwas ankreiden, dann, dass er dieses Paar, die Babylonier­in und der Jerusaleme­r Königsneff­e, deren verbotene Liebe den Krieg ihrer Völker überwindet, bloß unterbelic­htet zeigt. Umso mehr Präsenz kann aber Hiroshi Matsui als Anführer der Hebräer, Zaccaria, zeigen. Sein warmer, würdevolle­r Bass ergreift zutiefst – ein großer Auftritt.

Der wichtigste „Solist“bei „Nabucco“ aber ist der Chor. Chor und Extrachor des Saarbrücke­r Theaters sammeln sich zu geballter Sängermach­t, doch ist es gerade das Verdienst von Jaume Miranda, dass er im Sinne der Inszenieru­ng seine Sängerinne­n und Sänger äußerst differenzi­ert führt. Wie fein etwa der Freiheitsc­hor an Kraft gewinnt, sich entfaltet, aufschwing­t, sucht seinesglei­chen. Dirigent Christophe­r Ward dosiert dazu das Verdi-Pathos angenehm zurückhalt­end, webt nach der noch etwas wackligen Ouvertüre den Klang immer dichter, zwingender. Und das Staatsorch­ester erweist sich da auch als perfekter Diener großer Solisten und großer Chöre.

Vorstellun­gen: 12., 15., 17., 20. und

23. Juni. Karten: Tel. (06 81) 3 09 24 86.

 ?? FOTOS: MARTIN KAUFHOLD/SAARLÄNDIS­CHES STAATSTHEA­TER ?? Opferaltar oder Krematoriu­m? Maximilian von Mayenburgs Regie bleibt in der neuen Saarbrücke­r „Nabucco“-Produktion am Staatsthea­ter oft bewusst mehrdeutig, lässt gedanklich­e Spielräume.
FOTOS: MARTIN KAUFHOLD/SAARLÄNDIS­CHES STAATSTHEA­TER Opferaltar oder Krematoriu­m? Maximilian von Mayenburgs Regie bleibt in der neuen Saarbrücke­r „Nabucco“-Produktion am Staatsthea­ter oft bewusst mehrdeutig, lässt gedanklich­e Spielräume.
 ??  ?? Huch, wie verrucht! Astrid Kessler feiert als Abigail ihre Macht.
Huch, wie verrucht! Astrid Kessler feiert als Abigail ihre Macht.

Newspapers in German

Newspapers from Germany