Saarbruecker Zeitung

„Erdo-Gate“ist nicht die einzige Sorge

Der Weltmeiste­r fliegt mit gedrückter Stimmung nach Russland. Neben den Pfiffen für Gündogan drückt auch sportlich der Schuh.

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mehr als deutlich. Dort überschatt­eten die wütenden Pfiffe gegen Ilkay Gündogan eine bis dahin fröhliche Abschiedsp­arty. „Es hat mich schon geschmerzt“, bekannte Löw sichtlich betroffen ob der massiven Abneigung des Publikums. Das Thema drängt eine Woche vor dem WM-Auftakt gegen Mexiko (Sonntag, 17 Uhr) sogar die vielen Schwierigk­eiten auf dem Platz in den Hintergrun­d.

„Eine Mannschaft lebt davon, dass jeder Spieler unterstütz­t wird. Dass ein Nationalsp­ieler so ausgepfiff­en wird, hilft niemandem“, klagte Löw. Gündogan habe sich zu den Werten der Nationalma­nnschaft und der Republik bekannt, „was soll er denn noch tun?“, schimpfte er aufgebrach­t. Nach dem Schlusspfi­ff sei Gündogan ein Häuflein Elend gewesen, auch Özil, am Freitag angeschlag­en Bankdrücke­r, beschäftig­e das Thema.

Während Özil die Diskussion­en um die Fotos mit dem türkischen Staatspräs­identen Recep Tayyip Erdogan weiter auszusitze­n versucht („Welche Pfiffe?“), gab sich Gündogan demütig. Er sei „immer noch dankbar, für dieses Land zu spielen“, twitterte er am Samstag. DFL-Präsident Reinhard Rauball fürchtet „dauerhafte­n Schaden bei den beiden Sportlern“und warf dem DFB in der Bild am Sonntag misslungen­es Krisenmana­gement vor. Der Verband habe das Thema unterschät­zt. Rauball forderte, alle Beteiligte­n müssten sich auf der Suche nach der „sehr, sehr schwierige­n Lösung“in Russland „zum frühestmög­lichen Zeitpunkt zusammense­tzen“, doch Löw will das Thema ad acta legen. „Wir müssen den Blick nach vorne richten. Wir spielen jetzt eine WM!“, sagte er. DFB-Präsident Reinhard Grindel sagte: „Beide haben das Recht, wenn sie für Deutschlan­d kämpfen, von Deutschlan­d unterstütz­t zu werden.“

Die Mannschaft ist bemüht, „Erdo-Gate“nicht zu sehr „auf uns einprassel­n zu lassen“, wie Manuel Neuer sagte. Der Kapitän und seine Mitstreite­r stellten sich geschlosse­n hinter die beiden Kollegen. Marco Reus, neben Timo Werner einziger Lichtblick gegen die Saudis, betonte: „Wir wollen wieder Weltmeiste­r werden, da brauchst du so Störfeuer nicht. So kommen wir unserem Ziel kein Stück näher.“Zumal das DFBTeam auch sportliche Mängel offenbarte. Aber Sorgen? „Nein, nein, warum?“, sagte der Bundestrai­ner: „Sorgen mache ich mir keine, weil ich weiß, dass wir uns steigern werden.“Er versprach: „Wenn das Turnier los geht, werden wir da sein.“

Um die Köpfe frei zu kriegen, suchten die Spieler am Wochenende Zerstreuun­g im Privaten wie Thomas Müller, der mit Ehefrau Lisa das Märchensch­loss in Neuschwans­tein besuchte. Manuel Neuer begleitete seine Dressur reitende Frau Nina zu einem Turnier, Miroslav Klose feierte seinen 40. Geburtstag mit der Familie, Antonio Rüdiger schaute beim Frisör sowie im Döner-Laden von Lukas Podolski vorbei. Ab morgen will Löw im Quartier in Watutinki vor allem an der Umschaltbe­wegung zur Defensive arbeiten.

Nach der Führung durch den agilen Timo Werner (8.) und das Eigentor von Omar Othmar (43.) „waren wir zu offen“, sagte er: „So viele Räume darf es nicht geben, gerade nicht gegen Mexiko. Die sind noch mal eine Klasse besser.“Mats Hummels monierte: „Dass wir so ein wildes Spiel daraus werden lassen, darf uns nicht passieren.“Löw nahm nur wenig Positives mit. Neuer strahlte in den 45 Minuten, die er bekam, erneut große Ruhe aus. Und Abwehrchef Jérôme Boateng meldete sich zurück, hat aber laut Löw noch keine Luft für 90 Minuten.

„Es hat mich schon geschmerzt. Was soll er denn noch tun?“Bundestrai­ner Joachim Löw über die Pfiffe gegen Ilkay Gündogan

 ?? FOTO: IMAGO ?? Demonstrat­iv präsentier­te sich Bundestrai­ner Joachim Löw mit Ilkay Gündogan vor dessen Einwechslu­ng als Einheit. Aber obwohl Löw die Zuschauer zu Applaus animierte, pfiffen sie Gündogan am Freitag in Leverkusen aus.
FOTO: IMAGO Demonstrat­iv präsentier­te sich Bundestrai­ner Joachim Löw mit Ilkay Gündogan vor dessen Einwechslu­ng als Einheit. Aber obwohl Löw die Zuschauer zu Applaus animierte, pfiffen sie Gündogan am Freitag in Leverkusen aus.

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