Saarbruecker Zeitung

Die WM als Eintrag im kollektive­n Gedächtnis

Auf der Suche nach der WM-Stimmung hilft es, mal im Gedächtnis zu kramen. Und vor allem die Erinnerung­en an ein fantastisc­hes Turnier dürften bei vielen noch frisch wie gestern sein.

-

Am Donnerstag geht es los, in den Supermärkt­en ist schon alles auf WM eingestell­t. Aber viele Menschen sind nicht in WM-Stimung. Klar, 2014 mit dem Titel ist kaum zu toppen. Dazu kommt der Gastgeber Russland: Themen wie Demokratie, Syrien, die Krim, Aufblähung der Turniere, Fifa-Bestechung. Und so weiter. All das haben wir diese Woche schon sattsam gehört und werden es noch hören. Und doch: Noch sind WM-Turniere etwas ganz besonderes. Mehr als eine EM. Das zeigt insbesonde­re, wie sich erfolgreic­he Turniere und vor allem Endspiele ins kollektive Gedächtnis eingegrabe­n haben.

Man muss sich das mal vorstellen: Milliarden schauen mittlerwei­le an den Mattscheib­en zu. Mit Sicherheit können sich die Großeltern noch an die Mondlandun­g und den WM-Titel 1954 erinnern. Wir sind wieder wer. Auch 1974 ist im deutschen Gedächtnis tief verankert. WM im eigenen Land, Finale gegen die Niederland­e, Elfmeter, Gerd Müller.

Meine eigene Erinnerung setzt erst 1986 ein, beim verlorenen Finale gegen Argentinie­n. 1990 schließlic­h, Un’estate italiana, ein italienisc­her Sommer. Unvergesse­n. Lothar Matthäus, der Elfer des Ex-Saarbrücke­rs Andy Brehme, Revanche gegen die Gauchos.

2002 King Kahn, der Fehlgriff gegen Ronaldo. Und 2006 das Sommermärc­hen und die Sturzbäche voller Tränen nach dem unglücklic­h verlaufene­n Halbfinale gegen Italien. Schließlic­h 2014. Ein Turnier wie gemalt. Und fast jeder weiß noch, wo er während des Endspiels war. Oder wie ich sogar noch bei jedem einzelnen deutschen Spiel, wo er war. Beim Finale auf dem St. Johanner Markt galt es, eine Kneipe mit schnellem Bildsignal zu finden. Um nicht zu jubeln, nachdem draußen schon alle seit zehn Sekunden ausrasten.

Fast sind die Erinnerung­en noch frisch. Der Schock bei Higuains vermeintli­chem 1:0. Besonders gerne erinnere ich mich, was für ein unglaublic­her Jubel aufbrandet­e, als Messis letzter Freistoß übers Tor von Manuel Neuer segelte. Da war so viel drin. Erleichter­ung, Jubel, Glück. Und dann der Abpfiff. Schweinis Blut und Tränen. Wieder rollte ein Orkan des Jubels über den Markt und die Innenstadt. Unvergesse­n. Und wenn ich so an diese Szenen denke, dann kommt sie vielleicht doch ein bisschen wieder zum Vorschein, die WM-Stimmung. Falls Sie ebenfalls auf der Suche nach der verlorenen WM-Stimmung sein sollten, reisen Sie doch mit einem Gedankenex­periment auch mal vier Jahre zurück zu Andreas Bourani und diesem heißen Sonntagabe­nd. Es könnte sich lohnen.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany