Saarbruecker Zeitung

Seehofer auf Konfrontat­ionskurs zu Merkel bei Asyl

- Produktion dieser Seite: Frauke Scholl, Robby Lorenz Pascal Becher VON HAGEN STRAUSS

BERLIN (kna/dpa) Die geplatzte Vorstellun­g des „Masterplan­s Migration“scheint für einen größeren Dissens zwischen CDU und CSU zu sprechen. Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) will laut Medienberi­chten nicht am heutigen Integratio­nsgipfel von Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) teilnehmen, sondern seinen Parlamenta­rischen Staatssekr­etär Marco Wanderwitz (CDU) schicken. Allerdings wollten sich Merkel und Seehofer bemühen, ihren Streit noch diese Woche beizulegen, wie Seehofer sagte.

Manches wirkt momentan nun mal wie eine Retourkuts­che. Seine Teilnahme am zehnten Integratio­nsgipfel der Kanzlerin an diesem Mittwoch sagte Horst Seehofer (CSU) ab. Es ist ein Novum, dass der amtierende Innenminis­ter nicht dabei ist. Auch forderte CSU-Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt kurzerhand Fraktionsc­hef Volker Kauder (CDU) auf, den „Masterplan Migration“von der offizielle­n Tagesordnu­ng der Fraktionss­itzung zu nehmen. Ebenfalls ungewöhnli­ch. Es brennt lichterloh in der Union.

Seit Angela Merkel ihren Innenminis­ter zurückgepf­iffen hat und er die Vorstellun­g seines „Masterplan­s“zur Neuausrich­tung der Asylpoliti­k vorerst absagen musste, befinden sich die Unionsgran­den im Stimmungst­ief. Einiges erinnert an den erbitterte­n Streit zwischen Seehofer und Merkel um die Obergrenze beim Flüchtling­szuzug, der im letzten Jahr nur mit einem Formelkomp­romiss beigelegt werden konnte. Wie man diesmal aus dem Schlamasse­l herauskomm­en will, ist offen. „Gebt uns Zeit“, meinte Seehofer gestern nach der Sitzung der Unionsfrak­tion. Noch in dieser Woche wollen demnach beide versuchen, eine Lösung zu finden.

Fakt ist aber: Der Zoff betrifft nicht mehr nur die Parteien, jetzt tobt er innerhalb der Bundesregi­erung zwischen der Kanzlerin und einem ihrer wichtigste­n Minister. Auf dem Höhepunkt des Obergrenze-Streits hatten sich noch viele CDU-ler mit Merkel solidarisi­ert, weil sie die Attacken aus Bayern unerträgli­ch fanden. Jetzt scheint es deutlich mehr zu geben, die Seehofer zur Seite springen. Manch einer stellte Merkel sogar das Ultimatum, bis zum Europäisch­en Rat Ende Juni Ergebnisse für eine gemeinsame europäisch­e Asylpoliti­k zu erzielen. Ansonsten müssten Seehofers Pläne der einseitige­n Zurückweis­ung von Flüchtling­en, die woanders bereits registrier­t sind oder keine Papiere haben, umgesetzt werden. Die Macht der Kanzlerin – sie scheint zu schwinden. Trotz ihres Machtworte­s gegenüber Seehofer.

Bis Ende Juni will man bei der CSU aber sowieso nicht warten. Die Landesgrup­pe stellte sich am Montagaben­d klar hinter Seehofer, der dort seinen Masterplan vorstellte. Nur ein ausgewählt­er Kreis hat das 63 Punkte umfassende Papier bisher in der Hand gehalten – zum Ärger von Fraktionsc­hefin Andrea Nahles niemand vom Koalitions­partner SPD. Der Plan ist in vier Kapitel unterteilt, darin auch der Auslöser des Merkel/ Seehofer-Streits: Zurückweis­ung an der Grenze. Merkel aber will eine europäisch­e Lösung und keinen nationalen Alleingang. Seehofer betonte dagegen in der Landesgrup­pensitzung, er sei nicht bereit, „einen halben Plan mit faulen Kompromiss­en zu veröffentl­ichen“.

Seehofer selbst will dem Vernehmen nach in den nächsten Tagen seine Reform des krisengesc­hüttelten Bundesamte­s für Migration und Flüchtling­e präsentier­en – um wenigstens etwas wieder in die Offensive zu kommen.

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