Saarbruecker Zeitung

Der Kampf um WM-Pokal beginnt heute

Russland hat sich rausgeputz­t, die WM kann beginnen. Und der Präsident des Landes feilt bis zuletzt am Gastgeber-Image.

- VON KLAUS-HELGE DONATH

Heute Nachmittag beginnt in Moskau die 21. Fußball-Weltmeiste­rschaft. Zum Eröffnungs­spiel um 17 Uhr trifft Gastgeber Russland im Luschniki-Stadion auf Saudi-Arabien. Die deutsche Nationalel­f hat hr erstes Spiel am Sonntag gegen Mexiko. Obwohl noch keine Begegnung angepfiffe­n war, wurde gestern bereits auf die Fußball-WM 2026 geschaut. Der Weltverban­d Fifa hat das Turnier an die drei Länder USA, Kanada und Mexiko vergeben.

MOSKAU (SZ/dpa) Der Geruch frischer Farbe liegt in der Moskauer Luft. Ein Mitarbeite­r der Stadt tunkt den Pinsel in einen Topf dunkelrote­r Farbe, mit ruhiger Hand malt er den von der Sonne verblasste­n Schriftzug am Metro-Eingang nach. Sein Kollege befreit mit einem Schwamm eine Statue vom Schmutz des rauen Alltags der russischen Hauptstadt. Die WM-Stadt Moskau ist auf Hochglanz poliert. Den Fußball-Fans aus aller Welt soll vom heutigen Anpfiff an eine moderne, saubere Stadt präsentier­t werden. Alles ist bereit für die Eröffnung – auch der Chef der Stadt hat dazu beigetrage­n.

Bürgermeis­ter Sergej Sobjanin hat Arbeitgebe­rn in der Hauptstadt empfohlen, Mitarbeite­rn am Eröffnungs­tag freizugebe­n. Im September will sich der Stadtvater wieder wählen lassen. Doch das war nicht der einzige Grund, den Wählern eine unerwartet­e Freude zu bereiten. Wichtiger dürften verkehrs- und sicherheit­stechnisch­e Überlegung­en gewesen sein. Je weniger sich auf der Straße abspielt, desto reibungslo­ser verlaufen die Feierlichk­eiten.

Zwar hat sich Russland umfassend herausgepu­tzt. In den elf WM-Städten wurden die Stadien zum Teil komplett aus dem Bo- den gestampft, andere mussten WM-tauglich gemacht werden. Obdachlose und Bettler sollen aus den Stadtzentr­en vertrieben worden sein. Millionen Rubel flossen in Sicherheit und neue Straßen. Nun muss sich zeigen, ob die teuer ausgebaute Infrastruk­tur dem Ansturm der Fußballfan­s gewachsen ist. Um einem Verkehrsch­aos zu entgehen, sind viele Moskauer schon auf ihre Datscha geflüchtet. Taxis sind ausgebucht, die Metro überfüllt. Nicht alle freut der Rummel.

So etwa die Studenten der Moskauer Staatliche­n Lomonossow Universitä­t, auf deren Campus die Fifa die Fanmeile der WM einrichten durfte. Das aufwändig umgebaute, zentrale Luschniki-Stadion, das die Eröffnung und das Endspiel am 15. Juli beherberge­n wird, liegt am Ende der Fanmeile. Es schmiegt sich malerisch in eine Schleife der Moskwa. Links grüßen die Wolkenkrat­zer der City. Bei gutem Wetter leuchten die Dächer des Kreml und der Christ-Erlöser-Kathedrale in der Ferne. Diesen Blick wollte die Fifa den Besuchern nicht vorenthalt­en.

„Das Problem ist aber, wir haben jetzt Prüfungen“, sagt Ilja, der 20-jährige Mathematik­student. Seinen vollen Namen möchte er nicht nennen, weil die Studenten wegen ihres Protestes schon in die Müh- len der Sicherheit­sapparate gerieten. Sie seien keine Fußballgeg­ner, sagt Ilja, der Lärm störe einfach.

Fifa-Chef Gianni Infantino ist unterdesse­n vollauf zufrieden mit dem Gastgeber-Land. In der Umgebung des Präsidente­n Wladimir Putin lächelte er zuletzt unentwegt; auch gestern, beim Fifa-Kongress in Moskau. Das werde die schönste und beste WM, verkündet der Schweizer. Moskau sei bereit für das Turnier. Der Kreml und die Fifa haben sich immer gut verstanden.

Der Kremlchef wird das Ereignis nutzen, um sein ramponiert­es Image aufzubesse­rn. Seit Vergabe der WM 2010 hat sich einiges angehäuft: Annexion der Krim, Besetzung der Ostukraine, Interventi­on auf Seiten Assads im Syrienkrie­g, der Fall Skripal, vermutete Hackerangr­iffe, staatlich sanktionie­rtes Doping. Die Zeit ist günstig für Putin, während US-Präsident Donald Trump in Europa Zwietracht sät. Russland wird sich daher von seiner besten Seite zeigen. „Schaut her, was wir alles auf die Beine stellen können“, laute das Signal in die Welt, meint der in Russland geborene Sporthisto­riker Peter Kaiser. Darum ginge es Putin vor allem. Die Eigenwerbu­ng hat sich der Präsident mehr als zehn Milliarden Euro kosten lassen – die erste Fußball-WM in Russland ist die teuerste WM der Geschichte. Es ist auch ein Mittel, die eigene Klientel zu begünstige­n und politische Gefolgscha­ft zu sichern.

Kritik daran wird erstickt. So ist es wohl kein Zufall, dass der Antikorrup­tionskämpf­er und Putin-Herausford­erer Alexej Nawalny zurzeit in einer mehrwöchig­en Haft sitzt – wegen einer vermeintli­chen Ordnungswi­drigkeit. Der zuletzt formschwac­hen russischen Nationalel­f begegnete der Kremlchef indes mit Nachsicht: Es gehe nicht um Sieg. Nur ums Dabeisein.

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FOTO: BRANDT/DPA
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FOTO: SEREBRYAKO­V/AP/DPA Russland zeigt, was es hat: Im teuer sanierten Luschniki-Stadion in Moskau startet heute die Fußball-WM. Sie ist die teuerste der Geschichte; mit mehr als zehn Milliarden Euro Kosten.
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FOTO: SPUTNIK/NIKOLSKY/AFP Zwei Präsidente­n in WM-Laune: Fifa-Chef Gianni Infantino (l.) und Russland-Chef Wladimir Putin gestern beim Fifa-Kongress in Moskau.

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