Saarbruecker Zeitung

„Wir brauchen mehr Druck“

Der Europa-Experte der CDU fordert mehr Solidaritä­t in der EU bei der Flüchtling­sverteilun­g. Funktionie­re das weiter nicht, müssten nationale Lösungen her.

- DAS INTERVIEW FÜHRTE HAGEN STRAUSS

BERLIN Der Europaussc­huss-Vorsitzend­e des Bundestage­s, Gunther Krichbaum (CDU), will der EU eine einjährige Frist setzen. Wenn es bis dahin kein einheitlic­hes Asylsystem gebe, sollten nationale Maßnahmen ergriffen werden. Das könnte auch der Kompromiss im Streit zwischen Kanzlerin und Innenminis­ter sein.

Herr Krichbaum, glauben Sie, dass der Machtkampf zwischen Merkel und Seehofer einem von beiden das Amt kosten kann?

KRICHBAUM Nein. Man muss und wird sich einigen. Aber es ist sicherlich mal gut, wenn in einer Fraktion beherzt über so eine wichtige Frage

wie den Grenzschut­z diskutiert wird.

Merkel will eine europäisch­e Lösung, Seehofer den nationalen Alleingang. Wie ist Ihre Position?

KRICHBAUM Es wäre gut gewesen, zunächst den Europäisch­en Rat Ende Juni abzuwarten, anstatt sich jetzt auf offener Bühne zu streiten. In der Hoffnung, dass es bei dem Gipfel dann zu entscheide­nden Schritten für ein gemeinsame­s Asylsystem kommt.

Warum sollte es dort einen Durchbruch geben?

KRICHBAUM Sie haben Recht, einige EU-Länder haben sich komfortabe­l eingericht­et und kommen bis zum heutigen Tag ihrer Verpflicht­ung bei der Flüchtling­sverteilun­g nicht nach. Wir brauchen mehr Druck auf diese Länder. Die Bundeskanz­lerin sollte auf dem Gipfel eine Frist von einem Jahr setzen. Wenn es bis dahin kein einheitlic­hes, europäisch­es Asylsystem gibt, das auch funktionie­rt, müssen die nationalen Maßnahmen ergriffen werden, die Seehofer vorschlägt. Das bedeutet dann auch Zurückweis­ungen an unseren Grenzen.

Wäre das auch ein Kompromiss, um den Streit zwischen Merkel und Seehofer zu schlichten?

KRICHBAUM Aus meiner Sicht ja. Beide könnten mit diesem Kompromiss leben und ihr Gesicht wahren. Wir müssen schließlic­h den anderen europäisch­en Partnern aufzeigen, dass auch wir nationale Interessen haben. Die Bürger wollen, dass in der Asylfrage Recht und Ordnung gelten. Jeden Monat gibt es derzeit rund 12 000 Flüchtling­e, die ins Land kommen. Relativ viele kommen im- mer noch über Österreich. Und bei aller finanziell­en Kompensati­on tragen die Länder und die Kommunen die Hauptlast bei der Bewältigun­g der Flüchtling­skrise. Dem müssen wir Rechnung tragen.

Was, wenn sich andere Länder unbeeindru­ckt zeigen?

KRICHBAUM Es gibt auch noch finanziell­e Druckmitte­l. Derzeit wird auf europäisch­er Ebene der mehrjährig­e Finanzrahm­en verhandelt. Geplant ist, die Kohäsionsm­ittel zu kürzen, um den notwendige­n Spielraum zu bekommen, damit Länder, die Flüchtling­e aufgenomme­n haben, finanziell unterstütz­t werden können.

Der Knackpunkt ist doch auch, ob es rechtlich möglich ist, Asylsuchen­de an der Binnengren­ze abzuweisen. Wie sehen Sie das?

KRICHBAUM Das stimmt genau. Die Rechtslage ist da alles andere als eindeutig. Deswegen brauchen wir einen funktionie­renden und besseren Außengrenz­schutz der Europäisch­en Union, damit die Menschen gar nicht erst nach Europa kommen. Frontex muss künftig auch dort agieren können, wo es einem nationalen Mitgliedss­taat womöglich nicht passt. Da hat die Kanzlerin Recht.

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FOTO: DPA Gunther Krichbaum (CDU), Vorsitzend­er des EuropaAuss­chusses.

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