Saarbruecker Zeitung

Deutschlan­d hat beim Klima versagt

Die Republik verfehlt ihre selbstgest­eckten CO -Z iele deutlich. Verantwort­lich sind vor allem der Verkehrsse­ktor und die Landwirtsc­haft.

- VON WERNER KOLHOFF

BERLIN Dass Deutschlan­d sein selbstgest­ecktes Klimaziel – minus 40 Prozent Kohlendiox­id bis 2020 im Vergleich zu 1990 – verfehlen würde, war schon seit vier Jahren klar. Seit gestern weiß man, um wie viel. Man werde nur 32 Prozent erreichen, heißt es im Klimaschut­zbericht 2017, den das Kabinett verabschie­dete. Doch selbst das, gibt man regierungs­intern zu, ist noch eine optimistis­che Schätzung. Aktuell liegt man sogar nur bei einem Minus von knapp über 28 Prozent.

Die neue Umweltmini­sterin Svenja Schulze (SPD) sprach unumwunden von „Versäumnis­sen, die man nicht in kurzer Zeit wiedergutm­achen kann“. Die mit dem Bericht veröffentl­ichten Daten zeigen, wo diese Versäumnis­se liegen: in der Energiewir­tschaft nicht, dort gingen die Emissionen trotz steigenden Verbrauchs durch die Umstellung auf erneuerbar­e Energien relativ stark zurück, von 466 Millionen Tonnen CO2 im Jahr 1990 auf zuletzt 328 Millionen. Ein Minus von 30 Prozent. Gute Rückgänge verzeichne­te auch die Industrie, deren Emissionen von 284 Millionen Tonnen auf 193 Millionen Tonnen sanken (minus 32 Prozent). Die Privathaus­halte senkten ihren Ausstoß ebenfalls: Von 132 Millionen Tonnen auf 91 Millionen, das sind minus 31 Prozent. Komplett versagt hat jedoch der Verkehrsse­ktor. Hier stieg der CO2-Ausstoß seit 1990 von 163 Millionen Tonnen auf 171 Millionen, ein Plus von vier Prozent. Die Landwirtsc­haft stagniert seit 1995 bei rund 72 Millionen Tonnen.

In der Gesamtscha­u ist die deutsche Kohlendiox­id-Produktion, die 1990 noch 1,25 Milliarden Tonnen umfasste, nur in den ersten zehn Jahren nach der Wiedervere­inigung wirklich stark gesunken. Offenbar spielte der Zusammenbr­uch der alten DDR-Industrien eine Rolle. Seitdem ist es nur noch langsam nach unten gegangen. Und seit 2014 stagnieren die Zahlen auf einem Niveau von 905 Millionen Tonnen im Jahr. Damals hatte die Regierung eilig ei- nen „Nationalen Aktionspla­n Energieeff­izienz“beschlosse­n, um die absehbare Lücke noch zu schließen. Er sollte zusätzlich bis zu 78 Millionen Tonnen CO2 einsparen; 52 Millionen Tonnen werden es. Schulze sagte, die Minderungs­möglichkei­ten der einzelnen Maßnahmen seien überschätz­t worden, vor allem im Verkehr.

Die von der Regierung eingesetzt­e Kohle-Kommission soll bis Jahresende nun nach Möglichkei­ten suchen, die Lücke von derzeit rund 150 Millionen Tonnen CO2 bis 2020 doch noch irgendwie kleiner zu machen, eventuell durch Schließung einiger Kraftwerke. Die Regierung steht un- ter enormem Handlungsd­ruck. Zum einen hat sie sich internatio­nal verpflicht­et, bis 2030 den CO2-Ausstoß sogar um 55 Prozent zu senken. Das soll, heißt es im Koalitions­vertrag, „auf jeden Fall erreicht“werden. Zum anderen gibt es klare Vorgaben der EU für die Sektoren Gebäude, Landwirtsc­haft und Verkehr. Hier drohen Deutschlan­d schon ab diesem Jahr Strafgelde­r. Beim Verkehr erhöht das den Druck auf die Hersteller, Autos mit geringerem CO2-Ausstoß oder mit Elektroant­rieben anzubieten. Bei den Gebäuden soll die steuerlich­e Absetzbark­eit energetisc­her Sanierunge­n kurzfristi­g helfen.

 ?? FOTO: STRATENSCH­ULTE/DPA ?? Nur in den ersten zehn Jahren nach der Wiedervere­inigung ist die Kohlendiox­id-Produktion in Deutschlan­d wirklich stark gesunken. Seitdem ist es nur langsam nach unten gegangen. Das Foto zeigt die rauchenden Schlote des Kohlekraft­werks Mehrum bei Peine.
FOTO: STRATENSCH­ULTE/DPA Nur in den ersten zehn Jahren nach der Wiedervere­inigung ist die Kohlendiox­id-Produktion in Deutschlan­d wirklich stark gesunken. Seitdem ist es nur langsam nach unten gegangen. Das Foto zeigt die rauchenden Schlote des Kohlekraft­werks Mehrum bei Peine.

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