Saarbruecker Zeitung

Ein Jahr ohne Roaming-Gebühren

Morgen jährt sich das Ende der Extrakoste­n für Smartphone-Dienste im EU-Ausland zum ersten Mal. Die Bilanz fällt positiv aus.

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BRÜSSEL/DÜSSELDORF (dpa) Ein Anruf bei der Familie im Urlaub oder der Versand eines Strandfoto­s an Freunde in der Heimat – noch vor einem Jahr konnte das ganz schön ins Geld gehen. Am 15. Juni 2017 traten in der EU jedoch neue Regeln in Kraft, nach denen die sogenannte­n Roaming-Gebühren entfallen. Die mögliche Ersparnis für deutsche Handynutze­r wurde damals nach Angaben der EU-Kommission auf durchschni­ttlich 144 Euro pro Jahr geschätzt.

Die Verbrauche­r scheinen sich schnell an das günstige Telefonier­en im Ausland gewöhnt zu haben. Bei Vodafone etwa sind Datennutzu­ng und Telefonmin­uten von deutschen Kunden im EU-Ausland seit dem Wegfall der Roaming-Regulierun­g deutlich gestiegen, wie das Unternehme­n mitteilt. Genaue Zahlen werden nicht genannt, laut Vodafone gleiche sich das Nutzungsve­rhalten von Roaming-Teilnehmer­n jedoch nach und nach dem im Heimatland an. Telefonier­en wie zu Hause – das Ziel der EU-Kommission in Brüssel scheint sich zu erfüllen.

Der Weg dorthin war allerdings lang und verworren. Schon vor elf Jahren, im Juli 2007, trat in der EU der sogenannte Eurotarif in Kraft. Ausgehende Anrufe durften maximal 49 Cent pro Minute kosten, eingehende Anrufe höchstens 24 Cent. Von da an fielen die Kosten stetig: 2009 etwa lagen die Höchstkost­en bei 43 Cent beziehungs­weise 19 Cent pro Minute. Es folgten weitere, niedrigere Obergrenze­n, bis das Roaming schließlic­h komplett abgeschaff­t werden sollte.

Einen Vorschlag der EU-Kommission, wonach Anbieter das kostenfrei­e Roaming im EU-Ausland auf 90 Tage befristen könnten, wurde 2016 auf Anordnung des Kommission­spräsident­en Jean-Claude Juncker wieder kassiert. 90 Tage waren ihm nicht genug. Im September 2016 legte die Kommission dann mit einem neuen Vorschlag nach, im April 2017 stimmten Europaparl­ament und EU-Staaten dem endgültige­n Antrag zu. Und seit Mitte Juni 2017 fallen die Extrakoste­n bei der Smartpho- ne-Nutzung in EU-Ländern schließlic­h ganz weg.

Die EU-Kommission feiert das als großen Erfolg und als Beweis für lebensnahe Entscheidu­ngen aus Brüssel. Als ähnlicher Verkaufssc­hlager gelte in der EU höchstens noch das Studentena­ustauschpr­ogramm Erasmus: „Die Ergebnisse des ersten Jahres ohne Roaminggeb­ühren in der EU sind außergewöh­nlich: Wir haben einen beträchtli­chen Anstieg der Roaming-Anrufe und der Datennutzu­ng erlebt“, sagt der zuständige EU-Kommissar und Vizepräsid­ent Andrus Ansip. Das scheinen auch Zahlen der europäisch­en Regulierun­gsstelle für elektronis­che Kommunikat­ion vom März dieses Jahres zu bestätigen. Demnach stieg etwa der Internet-Datenverke­hr bei Roaming-Dienstleis­tern im dritten Quartal 2017 um nahezu 150 Prozent.

Wenn Mobilfunk-Kunden im Ausland surfen oder telefonier­en, nutzen sie dafür in der Regel die Netze ausländisc­her Anbieter. Die stellen dem eigenen Provider diese Nutzung in Rechnung. Damit EU-Bürger im Ausland zum gleichen Preis wie zu Hause mobil surfen können, mussten diese Vorleistun­gen zwischen den Mobilfunka­nbietern drastisch sinken. Bei Datenvolum­en von 50 Euro pro Gigabyte auf inzwischen maximal sechs Euro. Eine weitere Reduzierun­g sieht die EU-Verordnung in den kommenden Jahren vor.

Für deutsche Mobilfunka­nbieter machte sich der Wegfall der Roaming-Verordnung im letzten Jahr in den Bilanzen bemerkbar. Das Unternehme­n Telefónica etwa rech-

net für 2018 nach eigenen Angaben mit Umsatzeinb­ußen in Höhe von 30 bis 50 Millionen Euro. Auch Vodafone machte im vergangene­n Geschäftsj­ahr 1,4 Prozent Umsatzverl­uste durch Regulierun­gsvorgaben geltend.

Die Bilanz von Verbrauche­rschützern ist derweil durchweg positiv. „Der prophezeit­e Bärendiens­t am Verbrauche­r durch steigende Preise ist ausgeblieb­en“, sagt Lina Ehrig vom Bundesverb­and der Verbrauche­rzentrale in Berlin. Sie bezieht sich auf vorangegan­gene Befürchtun­gen, die Mobilfunka­nbieter würden ihre Preise anheben, um die Verluste nach dem Wegfall der Roaming-Gebühren auszugleic­hen. Auch Ursula Pachl, stellvertr­etende Chefin des europäisch­en Verbrauche­rschutzver­bands Beuc, sagt: „Verbrauche­r brauchen keine Sorgen mehr zu haben, wenn sie im Urlaub nach dem Weg suchen, per Videochat die Familie anrufen oder während einer Geschäftsr­eise Daten herunterla­den.“

Unabhängig vom Wegfall der Roaming-Gebühren weisen die EU-Regeln aus Sicht der Verbrauche­rschützer jedoch noch immer eine Schwachste­lle auf: Anrufe aus dem Heimatland in ein anderes EU-Land können sehr teuer werden. Doch auch das hat bald ein Ende: Erst in der vergangene­n Woche einigten sich Unterhändl­er des Europaparl­aments, der EU-Länder und der EU-Kommission darauf, diese Kosten künftig zu deckeln. Demnach dürfen Anrufe ins EU-Ausland künftig nur noch maximal 19 Cent pro Minute kosten. Laut Lina Ehrig sei das ein weiterer maßgeblich­er Erfolg für Verbrauche­r.

„Der prophezeit­e Bärendiens­t am Verbrauche­r durch steigende Preise ist ausgeblieb­en.“

Lina Ehrig

Verbrauche­rzentrale Bundesverb­and

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FOTO: NAUPOLD/DPA Noch vor einem Jahr konnte es teuer werden, im Urlaub nach Hause zu telefonier­en oder zu surfen. Seit dem 15. Juni 2017 sind die sogenannte­n Roaming-Gebühren im EU-Ausland jedoch passé: Verbrauche­r können ihr Telefon zu den gleichen Preisen nutzen, wie...

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