Saarbruecker Zeitung

Schiere Verzweiflu­ng an der Kaffeethek­e

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Frau Thekla Öhmichen, eine rüstige Rentnerin um die 80, fährt noch Auto. Kommt mit dem Straßenver­kehr prima zurecht. Verzeihen Sie mir die Ausdrucksw­eise: einfach ein taffes Weib. Doch als sie einen Kaffee zum Direktverz­ehr bestellt, stößt sie an ihre Grenzen. Die betagte Dame, die ansonsten nichts an Schlagfert­igkeit vermissen lässt, ist schließlic­h mit dem schrullige­n Satz aufgewachs­en: „Draußen gibt’s nur Kännchen!“Frau Öhmichen steht an der Selbstbedi­enungsthek­e einer weltweit prosperier­enden Kette, die es sich offensicht­lich zum Ziel gesetzt hat, die Menschheit in voluminöse­n Pappbecher­n zu ertränken. Größer als Kännchen anno dazumal. Die resolute Frau Öhmichen wird wenig gastfreund­lich aufgerufen: „Ja bitte?“Frau Öhmichen bestellt ebenso forsch: „Einen Kaffee.“„ To go? Small, large, extra large?“, schallt es von der hektisch hinterm Tresen agierenden Mittzwanzi­gerin. „Wie bitte?“, erkundigt sich Frau Öhmichen. Die Angestellt­e wiederholt so laut, dass es alle Kunden vernehmen. Frau Öhmichen: „Ich hätte gern ein Tässchen Kaffee.“Mit oskarreife­m Augenrolle­n greift das junge Ding nach einem Pappbecher mittlerer Größe und legt nach: „Was fürn Topping?“Frau Öhmichen: „Bitte?“Die junge Frau akzentuier­t und langatmig: „Was – für – ein – Topping? Flavored with?“Frau Öhmichen kleinlaut: „Ich verstehe nicht.“Die Bedienung widerwilli­g zur Übersetzun­g bereit: „Zucker, Milch, laktosefre­i?“Frau Öhmichen verunsiche­rt: „Süßstoff.“Die Mitarbeite­rin reicht den Kaffee und kassiert. Frau Öhmichen knibbelt mühsam den Plastikdec­kel ab, wobei ihr ein gehöriger Schluck heißen Kaffees vor die Füße platscht. Jetzt überlegt Frau Öhmichen, ob sie das Autofahren aufgibt.

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