Ein Duo unter besonderer Beobachtung
Özil und Gündogan stehen auch beim ersten Training der Nationalelf in Russland im Blickpunkt. Effenberg plädiert für Rauswurf.
WATUTINKI (sid) Ilkay Gündogan fackelte nicht lange. Er nahm den Ball aus vollem Lauf direkt, Weltmeister-Torwart Manuel Neuer reckte seine rechte Hand vergeblich nach dem strammen Rechtsschuss – Tor. Es war das erste der deutschen Mannschaft in Russland. Die Zuschauer auf dem Trainingsplatz von ZSKA Moskau in Watutinki hielten es zu Dutzenden fest: Gündogan und sein Kumpel Mesut Özil stehen nach der Erdogan-Affäre in den Tagen vor dem WM-Auftakt gegen Mexiko am Sonntag (17.00 Uhr/ ZDF und Sky) unter besonderer Beobachtung.
Bundestrainer Joachim Löw ist sich dessen bewusst. „Ich muss sie so weit in Form bringen, dass sie in den Flow kommen und unserer Mannschaft helfen“, sagte er nach der ersten Einheit der deutschen Fußball-Nationalmannschaft in Russland am Mittwoch. Das Duo habe dort „einen guten Eindruck“hinterlassen, sagte Löw. Gündogan zeigte sich überaus engagiert, Özil hatte bei seiner Rückkehr nach einer Knieprellung gute Szenen wie den Beinschuss gegen Jérôme Boateng.
Und doch gibt es nach wie vor Stimmen, die das Duo am liebsten zu Hause sähen. „Wenn man auf gewisse Werte setzt, so wie das der DFB immer wieder vermittelt, dann kann die Entscheidung eigentlich nur so ausfallen, dass man die beiden Spieler rauswirft“, sagte Ex-Nationalspieler Stefan Effenberg dem Onlineportal t-online.de und kritisierte damit den Deutschen Fußball-Bund.
Effenberg weiß, wovon er spricht: Auf Drängen des damaligen DFB-Präsidenten Egidius Braun war er 1994 von Bundestrainer Berti Vogts nach der Stinkefinger-Affäre beim Vorrundenspiel gegen Südkorea (3:2) vorzeitig nach Hause geschickt worden. Jetzt vermisst „Effe“eine ähnlich klare Linie: „Man dreht es sich beim DFB so, wie man es gerade braucht.“Özil und Gündogan hätten Glück gehabt, „dass der DFB in diesem Fall inkonsequent und nicht schnell gehandelt hat“.
Löw, für den ein Rauswurf von Özil und Gündogan nie zur Debatte stand, und DFB-Präsident Reinhard Grindel wiesen dies zurück. In der Mannschaft, versicherte Löw, sei die Sache abgehakt, „beide sind anerkannt“. Das wurde am gestrigen Mittwoch deutlich. Marco Reus scherzte viel mit Özil, Thomas Müller deutete bei ihm feixend einen Tritt in den Hintern an. Löw aber gab zu, dass beide unter der massiven Fan-Ablehnung „gelitten“haben. Grindel machte für die Wut, die sich bei der WM-Generalprobe in Leverkusen in Pfiffen Bahn gebrochen hatte, ein „gesamtgesellschaftliches Problem“verantwortlich. Seit der Flüchtlingskrise 2015 sei Integration nicht mehr nur positiv besetzt. Die Menschen erwarteten „Klarheit, insbesondere im Bekenntnis zu Werten und unserem Land“.
Özil und Gündogan hätten in Russland Gelegenheit, die Zweifler zu überzeugen. „Ich erwarte, dass jeder sich für Deutschland einsetzt, mit allem, was er hat“, sagte der DFB-Präsident. Er fügte in Richtung des zur Affäre schweigenden Özil an: „Und wenn er schon in Interviews keine Antwort geben will, dann auf dem Platz.“