Saarbruecker Zeitung

Endspiel für Kanzlerin Angela Merkel?

Gibt die CSU der Kanzlerin noch zwei Wochen Zeit oder kommt es schon heute zum endgültige­n Bruch? Merkel setzt auf Diplomatie.

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Während ganz Deutschlan­d heute früh noch über das gestrige Mexiko-Spiel diskutiert, wird in München und Berlin ein politische­s Finale angepfiffe­n. Die Paarung lautet: Innenminis­ter Horst Seehofer gegen Kanzlerin Angela Merkel, CSU gegen CDU. Früher war das mal ein Freundscha­ftsspiel. Jetzt nicht mehr.

„Niemand in der CSU hat Interesse, die Kanzlerin zu stürzen, die CDU/CSU-Fraktionsg­emeinschaf­t aufzulösen oder die Koalition zu sprengen“, sagte Seehofer am Wochenende. Das klang einerseits versöhnlic­h, anderersei­ts aber auch verdächtig nach Walter Ulbrichts berühmten „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten“. Außerdem berichtete die „Welt“, dass Seehofer intern in der vergangene­n Woche gesagt habe: „Ich kann mit der Frau nicht arbeiten.“Das wurde nicht dementiert.

Um zehn Uhr kommt am heutigen Montag der CSU-Parteivors­tand in München zusammen. Er wird nach Lage der Dinge einstimmig den „Masterplan Migration“von Seehofer gutheißen und ihn auffordern, das Werk umzusetzen. Inklusive der Zurückweis­ung jener Flüchtling­e an den deutschen Grenzen, die schon in anderen EU-Staaten registrier­t sind. So haben es alle CSU-Spitzenpol­itiker bereits angekündig­t und auch am Wochenende bekräftigt. Die große Frage ist, ob der Innenminis­ter die Bundespoli­zei sofort entspreche­nd anweist oder Angela Merkel noch einmal die von ihr erbetenen zwei Wochen Zeit bis zum EU-Gipfel gibt. Es gab gestern Medienberi­chte, die auf einen letzten Aufschub hindeutete­n – aber auch Dementis.

Etwa zur gleichen Zeit treten heute früh in Berlin die CDU-Gremien unter Führung von Angela Merkel zusammen. Die Kanzlerin

Horst Seehofer (CSU)

wird sich dort Rückhalt für ihre Linie holen, dass die Flüchtling­spolitik nicht mit Alleingäng­en, sondern nur europäisch zu betreiben sei, und dass das auch für Zurückweis­ungen an den Grenzen gelte. Für die müsse es mindestens bilaterale Abmachunge­n mit den betroffene­n Ländern geben. Offenbar plant das Kanzleramt dafür eine diplomatis­che Offensive. Dazu könnte ein Treffen mit den Regierungs­chefs der direkt betroffene­n Länder Italien, Österreich und Griechenla­nd am kommenden Wochenende gehören. Entspreche­nde Gespräche wurden vom Presseamt bestätigt. Ende Juni findet dann der EU-Gipfel statt; das Enddatum der Bemühungen. „Das ist eine europäisch­e Herausford­erung, die auch eine europäisch­e Antwort braucht“, sagte Merkel in ihrer aktuellen Videobotsc­haft. „Und ich halte dieses Thema für eines der entscheide­nden für den Zusammenha­lt Europas.“Merkel empfängt heute den neuen italienisc­hen Ministerpr­äsidenten Giuseppe Conte und morgen in Schloss Meseberg das halbe, von Präsident Emmanuel Macron angeführte französisc­he Kabinett.

Allen Beteiligte­n ist klar, dass Merkel Seehofer entlassen müsste, wenn er in dieser Phase sofort die Grenzen schließen würde. Es wäre das Ende der großen Koalition. Zwar liegt die Bundespoli­zei in seiner Kompetenz, doch hat die Kanzlerin die Richtlinie­nkompetenz. „Seehofer zu feuern, hieße, die CSU aus der Koalition zu schmeißen. Und das wird sich die Bundeskanz­lerin genau überlegen“, sagte drohend bereits der CSU-Abgeordnet­e Georg Nüßlein. Falls es nicht schon sofort zum Knall kommt, ist unklar, was nach den zwei Wochen passiert. Merkel hat Seehofers Grenzpläne­n bisher keinesfall­s grünes Licht für den Fall gegeben, dass ihre Bemühungen keinen Erfolg haben, sondern lediglich gesagt, dann müsse man die Lage neu bewerten. Außerdem hat sie bisher nur der Zurückweis­ung bereits abgelehnte­r Asylbewerb­er zugestimmt. Das ist der CSU deutlich zu unentschlo­ssen. Die Entscheidu­ng steht an. Der Ball liegt auf dem Elfmeterpu­nkt.

„Niemand in der CSU hat Interesse, die Kanzlerin

zu stürzen.“

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FOTO: NIETFELD/DPA Der Innenminis­ter: Horst Seehofer (CSU) will mit einem nationalen Masterplan Fakten schaffen.
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FOTO: NIETFELD/DPA Die Kanzlerin: Angela Merkel (CDU) will europäisch­e Lösungen der Flüchtling­spolitik.

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