Saarbruecker Zeitung

Macron, Merkel und die Hoffnung auf Meseberg

Paris und Berlin müssen in zehn Tagen ihre EU-Reformplän­e vorlegen. Strittige Punkte soll der Ministerra­t morgen ausräumen. Kein einfaches Treffen in Zeiten der Krise.

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PARIS Emmanuel Macron ist erst 40, doch er muss sich schon Sorgen um sein politische­s Erbe machen. Denn der Streit um die Einwanderu­ngspolitik könnte die EU zur Implosion bringen. Ausgerechn­et jene EU, deren prominente­stes Aushängesc­hild der französisc­he Präsident ist. Zur Europa-Hymne zog er in den Hof des Louvre ein, für sein europäisch­es Engagement bekam er den Aachener Karlspreis. Vier Reden hat er zum Thema Europa gehalten. Die wichtigste, an der Pariser Universitä­t Sorbonne, ist bereits neun Monate her. Doch getan hat sich seither nichts. Der französisc­he Präsident steht nämlich isoliert da. Und das nicht nur, weil ihm in Italien mit Matteo Renzi ein Verbündete­r wegbrach. Sondern auch, weil er meinte, im Alleingang europäisch­e Außenpolit­ik betreiben zu müssen. Ein Versuch, der kläglich scheiterte, wie der Ausstieg der USA aus dem Iran-Abkommen zeigt.

Deutschlan­d wirkt dabei wie der getriebene Partner eines Staatschef­s, der alles selbst in die Hand nehmen will. Sogar zur Regierungs­krise im Nachbarlan­d bezog Macron am Freitag Stellung, feuerte Breitseite­n gegen Innenminis­ter Horst Seehofer (CSU) ab. Das sollte wohl auch kaschieren, dass der Europäer Macron in der Krise um das Flüchtling­sschiff „Aquarius“versagt hat. Erst tauchte er drei Tage ab, dann kritisiere er Italien. „Zynisch und unverantwo­rtlich“sei die Entscheidu­ng der Regierung in Rom, die Flüchtling­e nicht an Land gehen zu lassen, ließ Macron erklären. Eine kurze diplomatis­che Krise mit Italien war die Folge.

„Es ist paradox zu sehen, dass er derjenige ist, der die Uneinigkei­t zwischen den Mitgliedss­taaten der Union verstärkt, wo er sich doch als Geburtshel­fer eines gestärkten Europas sah“, schreibt „Le Figaro“. Macrons Traum von der Neugründun­g Europas scheint zum Albtraum zu werden: Die EU steuert eher auf ihren Untergang zu als auf einen Neuanfang. Und das, obwohl der G7-Gipfel gezeigt hat, dass nur ein Zusammensc­hluss der Europäer gegen die Bedrohunge­n von außen helfen kann.

„Wie soll er verändern, wo er doch kaum Unterstütz­ung von den Mitgliedss­taaten bekommt und die von Merkel begrenzt ist?“, verteidigt der frühere Außenminis­ter Hubert Védrine den Präsidente­n. Neun Monate brauchte die Kanzlerin Angela Merkel (CDU), bis sie Macron ihre Antwort auf seine europapoli­tischen Vorschläge an der Sorbonne gab. Und die stellten in Frankreich kaum jemanden zufrieden.

Die Politik der kleinen Schritte dürfte bei der Sitzung des deutsch-französisc­hen Ministerra­tes morgen in Meseberg weitergehe­n. Das Treffen ist die letzte Gelegenhei­t, sich vor dem EU-Gipfel Ende Juni auf einen gemeinsame­n Vorschlag für Reformen zu einigen. Ein Schultersc­hluss sei für ihn selbstvers­tändlich, sagte Außenminis­ter Heiko Maas (SPD) jüngst. Doch die Kanzlerin machte bereits klar, wo ihre Grenzen liegen: Ein Investivha­ushalt im kleinen zweistelli­gen Milliarden­bereich, ein Europäisch­er Währungsfo­nds mit Mitsprache der Parlamente.

Merkels Vorschläge und Macrons Visionen müssen die Minister in Meseberg zusammenbr­ingen. Eine Vereinbaru­ng sei in Reichweite, hieß es am Wochenende von französisc­her Seite. Sogar beim heiklen Thema Eurozonen-Budget habe es Fortschrit­te gegeben. Beiden Seiten ist klar, dass sie in diesen Krisenzeit­en aufeinande­r angewiesen sind wie selten zuvor. Nur wenn sie schnell einen gemeinsame­n Nenner finden, kann auch die EU dauerhaft überleben. Dass das Treffen wegen der deutschen Regierungs­krise ausfallen könnte, daran glaubt der Elysée nicht.

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FOTO: MARIN/AFP Präsident Macron und Kanzlerin Merkel setzen auf Europa.

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