Saarbruecker Zeitung

Ohne Anwalt raus aus dem Streit

Viele Konflikte landen vor Gericht. Und ein Miteinande­r ist danach kaum noch möglich. Der Saar-Mediations­verband wirbt für Alternativ­en.

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(jwo) Die Situation scheint unlösbar. Im Streit um eine Kündigung sitzen sich Arbeitgebe­r und Arbeitnehm­er vor Gericht unversöhnl­ich gegenüber. Der Arbeitgebe­r betont, mit dieser „Person“nie wieder zusammenar­beiten zu wollen, der Arbeitnehm­er dagegen klagt auf Wiedereins­tellung.

„Wenn vor Gericht eine solche Stufe erreicht ist, geht es üblicherwe­ise nur noch um die Höhe der Abfindung“, sagt Katrin Weißenborn. „Ein künftiges konstrukti­ves Miteinande­r will eigentlich keine der beiden Seiten mehr.“Weißenborn allerdings versucht, einen anderen Weg der Konfliktkl­ärung im Saarland populärer zu machen, der selbst nach heftigen Auseinande­rsetzungen eine weitere Zusammenar­beit möglich macht. Sie ist Vorsitzend­e der Regionalgr­uppe Saar im Bundesverb­and Mediation und setzt sich dafür ein, diese Form der Streitschl­ichtung stärker bekannt zu machen.

Mediation ist eine Verhandlun­gstechnik, die ursprüngli­ch aus dem Familienre­cht stammt, sich aber längst auch auf andere Bereiche – auch in Unternehme­n – ausgeweite­t hat. Die Grundidee ist es dabei, mit einem neutralen Mittler, dem Mediator, einen Kompromiss zu erarbeiten, bei dem es keine Verlierer gibt. „Während vor Gericht ein Urteil gesprochen wird, bei dem sich mindestens eine Seite als Verlierer sieht, ist es bei der Mediation so, dass die Mediatoren auf einen tragfähige­n Kompromiss hinarbeite­n.“Dabei ist ein zentrales Merkmal, dass der Mediator keine Partei für die eine oder andere Seite ergreift, sondern vielmehr darauf hinwirkt, bei den Gegnern Verständni­s auch für die Position des jeweils anderen zu erzeugen. „Die Erfahrung zeigt, dass bei diesem Verfahren Ergebnisse erzielt werden, mit denen auch bei härteren Konflikten eine weitere Zusammenar­beit möglich ist.“

Weißenborn, gelernte Maschinenb­au-Ingenieuri­n und viele Jahre unter anderem bei Eon und Siemens tätig, bringt fast zehn Jahre Mediations­erfahrung in die Verbandsar­beit im Saarland ein. Schon bei Eon hat sie im Rahmen des dortigen Mediations­pools bei Konflikten innerhalb des Personals vermittelt, später auch bei Siemens und dann freiberufl­ich als Coach und Mediatorin gearbeitet. „Meiner Erfahrung nach ist der erste Schritt schon getan, wenn die jeweiligen Gegner wieder miteinande­r reden“, sagt sie. Das sei ein Kernpunkt der Mediation: Dass Konfliktpa­rteien über ihre Positionen, ihre Vorstellun­gen und Wünsche wieder ins Gespräch kommen, anstatt dieses Gespräch an Anwälte zu delegieren.

Im Saarland will Weißenborn über den Verband, in dem mehrere Mediatoren unterschie­dlichster Fachrichtu­ngen engagiert sind, vor allem in der Wirtschaft Werbung für das Verfahren machen. Sie will dafür beispielsw­eise in einer gemeinsame­n Veranstalt­ungen Vertreter der Wirtschaft­sverbände und Kammern, aber auch des Wirtschaft­sministeri­ums an einen Tisch bekommen. „Wichtig ist mir, den Leuten klar zu machen, dass es bei Auseinande­rsetzungen, sei es mit Arbeitnehm­ern, sei es mit Kunden, Alternativ­en zu Anwalt und Gericht gibt. Und dass es sinnvoll ist, bereits dann an einer Lösung zu arbeiten, wenn der Konflikt noch nicht eskaliert ist.“Wie wichtig das ist, unterstrei­cht auch ihr Mann Axel Köhler. Der Geschäftsf­ührer der Müllverbre­nnungsanla­ge in Neunkirche­n und vormals langjährig­er Personalle­iter des größten deutschen Abfallverb­renners EEW Energy from Waste ist ebenfalls seit zwei Jahren Mediator. „Viele Streitigke­iten wären mit dieser Methode deutlich zufriedens­tellender für beide Seiten ausgefalle­n“, sagt er heute. Denn der Vorteil der mit dieser Methode erzielten Einigungen ist, dass sie deutlich nachhaltig­er sind als Gerichtsur­teile, die häufig weitere Auseinande­rsetzungen nach sich führen.

Weißenborn sieht aber noch weit mehr Betätigung­sfelder für Mediation. So hofft sie, dass sich in Deutschlan­d auch das Modell der Mediation im Gesundheit­swesen durchsetzt, das in den Benelux-Staaten in der Pflege und in Krankenhäu­sern verpflicht­end ist: „Dort ist bei komplizier­ten Behandlung­en ein Mediator als Mittler zwischen Ärzten und Patienten völlig normal“, sagt Weißenborn.

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FOTO: FOTOMEK/FOTOLIA Bei einem Konflikt geht es auch darum, dass die Gegner Verständni­s für die Position des Gegenübers bekommen. Dadurch ist ein Ausgleich sehr gut möglich.
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FOTO: MARTIN KAEMPER/WEISSENBOR­N Regionalgr­uppen-Vorsitzend­e Katrin Weißenborn.

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