Wie fremdbestimmt sind wir denn nun?
Das Saarbrücker BallettEnsemble choreografiert in „Substanz 18“wieder eigene Tanzstücke – unterm Strich wird daraus ein sehenswerter Abend.
während man sich als Zuschauer noch fragt: Wo sind wir hier und wie wird es aufgelöst?
In Dean Boscas „Inter-Echo“sorgen Spielfilm-Dialoge und Badestrand-Lärm für eine akustische Meereskulisse, vor der die Tänzer in seltsamen rosa Tüll-Anzügen mitunter Schwimmbewegungen andeuten. In Marioenrico D‘Angelos „Baustelle“ gleiten wir von sanftem brasilianischen Bossa Nova hin zu Dancefloor-Beats. Bei ihm fällt besonders auf, dass die jungen Choreografen gern klassische Frau-Mann-Rollen und klassische Formationen wie den (heterosexuellen) Pas-de-deux hinter sich lassen. Bei ihm tanzen drei hier, drei dort und einer allein. Auf der Bühne kein Zentrum, überall ist was los. In Miguel Toros „2746:Poetry“fühlt man sich wie beim Ritual einer Geheimgesellschaft. Nachdem vier mysteriöse Männer in Schwarz unter Strahlern im Halbkreis tanzen, wird ein weißes Liebespaar mit verbundenen Augen hereingeführt. Werden die zwei zarten, hilflosen Wesen den Abend wohl überstehen?
Entspannen darf man dafür in „Auf der %&!&? Wiese“: Die Amerikanerin Hope Dougherty lässt zwei Frauen und einen Mann in knallbunter Kleidung allerlei drollige Sachen mit einem grünen Kunstrasen anstellen und sich kleine Häuschen auf den Kopf setzen, während dazu Jukebox-Schnulzen spielen. Ein Seitenhieb auf den Traum vom Glück im Eigenheim? Dougherty punktet mit Komik. Alexandra Christian zieht in ihrer mit vier Tänzern gemeinsam entwickelten Choreografie eindeutig über Donald Trump her – oder „Rotten (verfaulte) Orange“wie ihn seine Gegner nennen. Das hätte leicht schief gehen können. Tut es aber nicht. Aus dem Off-hören wir Trumps Original-Stimme: wie er über die viel zu durchlässige Grenze nach Mexiko schwadroniert und Journalisten abblockt, die unliebsame Fragen stellen. Auf die Bühne aber stellt Christian keinen Trump-Imitator, sondern lässt vier Tänzer(innen) vier verschiedene politische Haltungen verkörpern. Man sieht sie zwar, wie sie beiläufig auch mal Macho-Posen einnehmen, doch tanzen sie durchweg mit ironischer Distanz.
Eine rundum runde Sache gelingt zum Auftakt des Abends Federico Longo mit seiner „Supernova“, dem hellen Schein eines sterbenden Sterns. Seine vier Tänzerinnen wirken mit ihren schwarzen Arm- und Beinstulpen sehr sexy und geheimnisumwoben, eine Mischung aus Comic-Amazonen und -Spinnen. Sie bewegen sich zu metallischen Sägegeräuschen und sphärischen Klängen. Und auch hier fragt man sich: Sind wir in einem SciFi, werden sie fremdgesteuert?
Wieder am 19. und 24. Juni.