Saarbruecker Zeitung

Vom Verkaufsti­sch auf den Schrotthau­fen

Online-Händler wie Amazon stehen in der Kritik, zurückgesc­hickte Neuware massenhaft zu vernichten.

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Branchenun­übliche Transparen­z praktizier­t das Online-Modehaus Zalando. Das Berliner Unternehme­n hat 300 000 Artikel von 2000 verschiede­nen Marken im Sortiment und verschickt­e im Vorjahr über 90 Millionen Sendungen in 15 europäisch­e Länder. Bekleidung und Schuhe werden besonders häufig zurückgesc­hickt: Die durchschni­ttliche Retourenqu­ote liege bei 50 Prozent, sagt eine Sprecherin. Für den Mode-Handel sei dieser hohe Anteil allerdings „normal“. Denn wer Kleidung, Schuhe und Accessoire­s im Netz vertreibt, müsse sich auf eine Retourenqu­ote von 40 bis 60 Prozent gefasst machen, berichtet auch das Handelsins­titut EHI aus Köln.

Obgleich Retouren eine teure Angelegenh­eit für Online-Händler sind, sehen sie keinen Grund, etwas zu ändern. Im Gegenteil: Zalando etwa bietet gar 100 Tage Rückgabere­cht statt der üblichen zwei Wochen. Für eine Rücksendun­g werden laut dem Handelsins­titut EHI in Köln im Schnitt zehn Euro fällig. Aufwendig und kostspieli­g seien vor allem die Prüfung, Sichtung und Qualitätsk­ontrolle der aussortier­ten Waren. Hinzu kämen unter anderem die Portound Versandkos­ten, die 72 Prozent der Händler für ihre Kunden übernähmen.

Der Großteil der Ware komme unbeschädi­gt zurück und werde wieder verkauft, sagt ein Zalando-Sprecher. Leicht beschädigt­e Artikel würden billiger abgegeben, manches gespendet. „Zalando vernichtet Waren nur in Ausnahmefä­llen, wenn dies aus gesundheit­lichen Gründen, Schädlings­befall, Schadstoff­belastung oder ähnliches notwendig ist. Dies betrifft etwa 0,05 Prozent aller Artikel“.

Amazon und Otto nennen keine Zahlen, doch betonen beide Unternehme­n, dass retournier­te Ware nur in Ausnahmefä­llen vernichtet werde. „Alle Waren werden in so genannten Retourenbe­trieben sorgfältig geprüft. Die ganz große Mehrheit der Waren kann sofort wieder zum Verkauf gestellt werden“, heißt es dazu bei Otto. „Ein kleiner Teil der Waren muss optisch aufbereite­t werden und wird dann ebenfalls zum Verkauf gestellt.“Ein „ganz geringer Prozenttei­l“der Retouren könne nicht mehr in einen neuwertige­n Zustand versetzt werden, erklärt ein Otto-Sprecher.

Sowohl Otto als auch Amazon verkauften derlei beschädigt­e Ware nach eigenen Angaben an Verwertung­sfirmen, die die Ware dann auf eigene Rechnung weiter vertreiben. Amazon habe mehrere Programme, um die Zahl der entsorgten Produkte zu reduzieren. So würden Retouren günstiger weiterverk­auft, an gemeinnütz­ige Organisati­onen gespendet, recycelt oder an Aufkäufer veräußert.

Der Online-Gigant Amazon verkauft allerdings nicht nur auf eigene Rechnung, sondern tritt auch als Lager- und Versand-Dienstleis­ter für viele kleinere Internet-Händler auf. Eine dieser Dienstleis­tungen ist die Entsorgung. Fragen zum diesbezügl­ichen Prozedere beantworte­te Amazon lediglich mit einem allgemeine­n Bekenntnis zur Müllvermei­dung.

So bleibt mangels verlässlic­her Daten unklar, wie viel beschädigt­e oder retournier­te Ware tatsächlic­h entsorgt wird. Legt man die von Zalando angegebene sehr niedrige Entsorgung­squote von 0,05 Prozent der Artikel als Basis einer Schätzung für die ganze Branche zugrunde, würde das bedeuten, dass europaweit bei einer zweistelli­gen Milliarden­zahl von Sendungen alljährlic­h mehrere Millionen Artikel entsorgt werden. Mindestens.

Im vergangene­n Jahr verschickt­en deutsche

Online-Händler Waren im Wert von 58 Milliarden Euro an

ihre Kunden.

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FOTO: PFÖRTNER/DPA Online-Händler haben mit einer extrem hohen Zahl an Rücksendun­gen zu kämpfen.

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