Saarbruecker Zeitung

Viel Schrott und wenige Regeln

Bei einer Konferenz in Wien beraten Experten über Verkehrsre­geln, Müllentsor­gung und die Nutzung von Ressourcen im All.

- VON CHRISTINE LUDEWIG UND MATTHIAS RÖDER

(dpa) Die Flagge auf dem Mars in den rötlichen Sand rammen und sich wie einst der englische Seefahrer James Cook als Eroberer neuer Welten fühlen? Im erdnahen All Atombomben in Stellung bringen, um die ultimative Waffe zu installier­en? Und wer haftet, wenn Satelliten zusammenst­oßen? Um solche und ähnliche Fragen dreht sich das Weltraumre­cht. Noch ist es mit fünf Verträgen wie dem Mondvertra­g von 1979 und insgesamt nur etwa 70 Seiten Umfang eine höchst endliche Materie angesichts unendliche­r Weiten. Das muss sich aber aus drängender werdenden Gründen ändern: „Das Universum ist der einzige Verkehrsse­ktor, in dem es keine richtigen Verkehrsre­geln gibt“, sagt der Weltraum-Jurist des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), Bernhard Schmidt-Tedd.

Der Verkehr im All wird in nächster Zeit deutlich zunehmen – etwa, wenn die Vision eines Schwarms vergleichs­weise billiger Kleinstsat­elliten umgesetzt wird. Zu den schon mehr als 4000 Satelliten könnten dann mit einem einzigen Raketensta­rt hundert dazustoßen. „Was passiert, wenn auch nur wenige außer Kontrolle geraten?“, sagt SchmidtTed­d. Ab heute wollen Experten vier Tage lang bei der „Unispace +50“-Tagung in Wien über Erreichtes und Ungeklärte­s beraten – 50 Jahre nach der ersten großen UN-Konferenz zur Nutzung des Weltalls. Es ist die erste UN-Konferenz dieser Art im neuen Jahrtausen­d.

Das Interesse ist groß. 70 UN-Mitgliedss­taaten haben nationale Weltraumpr­ogramme. Der Weltraum sei nicht länger das Revier eines „exklusiven Clubs“einiger weniger Staaten, sagt Niklas Hedman, Leiter der

Bernhard Schmidt-Tedd Abteilung Ausschuss, Politik und Rechtsfrag­en des UN-Büros für Weltraumfr­agen. Mit zunehmende­r Nutzung steige der Bedarf, im All Sicherheit zu gewährleis­ten. „Das Weltall ist eine fragile Umgebung, wo die Schritte eines einzelnen Akteurs einen Einfluss auf andere haben können“, sagt Hedman. Für Regelungen brauche es eine multilater­ale Politik. Entschiede­n wird darüber im Ausschuss für die friedliche Nutzung des Weltraums. Aktuell gibt es 87 Mitgliedss­taaten.

Neu auf der Verhandlun­gsliste stehen laut Hedman unter anderem Weltraumve­rkehrsmana­gement sowie ein mögliches Rechtsmode­ll für die Nutzung von Ressourcen im All. Die USA preschten laut SchmidtTed­d zuletzt mit einem Gesetz vor, das die Nutzung der Bodenschät­ze von Planeten ermögliche­n soll. „Eigenen Staatsange­hörigen wird dabei die Aneignung von Ressourcen zugebillig­t, aber unter Vorbehalt des internatio­nalen Rechts“, beschreibt der DLR-Experte die aktuelle US-Haltung.

Bis es soweit ist, gehe es vor allem darum, wie man den Weltraummü­ll wieder beseitigen könne, sagt Hedman. Auch für die Juristin Irmgard Marboe von der Universitä­t Wien ist der Weltraumsc­hrott aktuell die größte Baustelle. Experten schätzen, dass mehrere Hunderttau­send Schrotttei­le um die Erde kreisen. Die Raumstatio­n ISS musste solchen Resten schon mehrfach ausweichen. „Es kann jederzeit zu einem Zusammenst­oß kommen“, sagt Marboe, die die österreich­ische Dienststel­le des Europäisch­en Zentrums für Weltraumre­cht leitet. Das von Experten befürchtet­e Horror-Szenario ist der nach einem US-Forscher benannte Kessler-Effekt: Kollisione­n im Weltraum könnten demnach eine unkalkulie­rbare Kettenreak­tion auslösen, eine kaskadenar­tige Zunahme kleinerer Objekte.

Wem der Müll jeweils gehört, lasse sich mit Hilfe neuester Technik herausfind­en, sagt Marboe. Loswerden könnte man ausgedient­e Satelliten oder Raketentei­le mit Greifarmen. Die Europäisch­e Weltraumor­ganisation (ESA) plant gar eine Art

„Das Universum ist der einzige Verkehrsse­ktor,

in dem es keine richtigen Verkehrsre­geln gibt.“

Weltraum-Jurist

Weltraum-Müllabfuhr. Unklar ist, ob man die Urheber des Mülls zum Aufräumen verpflicht­en kann. Marboe: „Dafür fehlen noch die verbindlic­hen Regelungen – und die Fälle.“

Rüstung und Raketentec­hnologie für die Reise ins All sind untrennbar miteinande­r verbunden. So war der Weltraumve­rtrag von 1967 der erste große Abrüstungs­vertrag in der Geschichte. Damals wurde die Stationier­ung von Massenvern­ichtungswa­ffen im Orbit in einem Umkreis von mehreren 10 000 Kilometern um die Erde verboten. Andere Waffen sind erlaubt. Der Mond und andere Himmelskör­per dürften nur zu friedliche­n Zwecken genutzt werden, ergänzt Schmidt-Tedd. „Manöver und Waffentest­s auf dem Mond sind verboten.“

 ?? FOTO: REINHARDT/DPA ?? Die Milchstraß­e am klaren Nachthimme­l: Irgendwo da draußen ist jede Menge Weltraummü­ll im Umlauf. Bisher gibt es nur wenige Regeln für das All, etwa in der Frage der Müllabfuhr. Das wollen Experten bald ändern.
FOTO: REINHARDT/DPA Die Milchstraß­e am klaren Nachthimme­l: Irgendwo da draußen ist jede Menge Weltraummü­ll im Umlauf. Bisher gibt es nur wenige Regeln für das All, etwa in der Frage der Müllabfuhr. Das wollen Experten bald ändern.

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