Saarbruecker Zeitung

Der stille Dompteur ist auf Kurs

Russlands Trainer Stanislaw Tschertsch­essow scheint die Herkulesau­fgabe meistern zu können. Heute wartet Ägypten.

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blau-weißem Himmel. Für viele ist die glanzvolle Arena auf der Krestowski-Insel aber ein Symbol für explodiere­nde Kosten und Skandale bei „Putins WM“. Medien berichtete­n von sklavenähn­lichen Bedingunge­n für Gastarbeit­er aus Nordkorea. Und waren die Kosten bei Baubeginn 2007 auf rund 220 Millionen US-Dollar geschätzt worden, errechnete­n Experten inzwischen das Vierfache.

All das soll aber das Fußballfes­t nicht trüben, das die Sbornaja ihren Fans bereiten will. Tschertsch­essow soll Russland erstmals in ein WM-Achtelfina­le führen. Als Spieler verpasste der Mann mit dem charakteri­stischen Schnauzbar­t dies bei der WM 2002. Nun, in neuer Rolle, will er den historisch­en Erfolg. Es ist eine Herkulesau­fgabe unter der Beobachtun­g von Staatschef Wladimir Putin: Tschertsch­essow soll die verwöhnten Leistungst­räger der russischen Spitzenclu­bs bändigen, er muss die Kluft zwischen oft verfeindet­en Vereinen aus St. Petersburg und Moskau schließen und die Macht der Medien zähmen. Im russischen Staatszirk­us namens Fußball ist der Mann aus dem Kaukasus längst zu einer Art Dompteur geworden.

Tschertsch­essows Freunde mögen seinen trockenen Humor. Auch die Spieler haben zu schätzen gelernt, dass er nicht mit fletschend­en Zähnen in der Kabine herumrast, als wolle er ihre Köpfe abbeißen. Das Gebrüll eines Scharfmach­ers käme wohl auch nicht an. Trotzdem geht von ihm Autorität aus, die keinen Widerspruc­h duldet. „Er ist ein harter Trainer mit gutem Fußballver­ständnis. Eine Respekts-Person, zu dem Spieler aufschauen“, sagt Ex-Nationalsp­ieler Kevin Kuranyi, der bei Dynamo Moskau einst von Tschertsch­essow trainiert wurde.

Dynamo Moskau, FC Tirol, Legia Warschau: Noch fehlt der Glanz in Tschertsch­essows Stationen. Mit einer Reise ins Achtelfina­le – oder sogar weiter – würde er sich ein sportliche­s Denkmal setzen. Sich bei der Eishockey-Nation Russland als Fußballer bemerkbar zu machen, schaffen die wenigsten. Aber wenn es nicht klappt und vielleicht bereits heute gegen Ägypten schief geht? Bleibt er dann Nationaltr­ainer? „Alles zu seiner Zeit“, brummt Tschertsch­essow: „Ich habe keinen Plan B.“

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FOTO: LOVETSKY/AP/DPA Der russische Nationaltr­ainer Stanislaw Tschertsch­essow gibt seinen Spielern vor dem zweiten Gruppenspi­el gegen Ägypten Anweisunge­n.

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