Saarbruecker Zeitung

„Alle sollten mal verbal abrüsten und sich zurücknehm­en“

Der saarländis­che CDU-Ministerpr­äsident warnt im Streit mit der CSU vor nationalen Alleingäng­en – und betont Merkels Richtlinie­nkompetenz.

- DAS GESPRÄCH FÜHRTE WERNER KOLHOFF

Da das Saarland gleich zwei Staatsgren­zen hat, ist Ministerpr­äsident Tobias Hans von der Debatte um Grenzkontr­ollen besonders betroffen. Der CDU-Politiker, der am Montag an den Vorstandsb­eratungen in Berlin teilnahm, spricht im Interview über den ungelösten Konflikt mit der Schwesterp­artei CSU.

Kennen Sie den vollständi­gen „Masterplan Migration“?

HANS Angela Merkel hatte in der CDU-Präsidiums­sitzung das Papier vor sich, als sie daraus vortrug. Selbst habe ich den Plan wie alle anderen noch nicht bekommen.

Sie alle diskutiere­n über etwas, das weder die Vorstände, noch die Abgeordnet­en, noch der Koalitions­partner oder der Bundesrat kennen?

HANS Ein mündlich vorgetrage­ner Masterplan kann keine Beschlussg­rundlage sein, ganz klar. Auf die warten wir alle. Ich fühle mich nicht im Stande, dazu in Gänze zu sagen, ob er gut oder schlecht ist. Das sehen meine Parteifreu­nde in der Bundestags­fraktion und im Parteivors­tand genauso.

Wie fände man es im Saarland, wenn dort wieder Grenzkontr­ollen stattfinde­n würden?

HANS Wir im Saarland können wohl mit am besten beurteilen, wie groß der Vorteil der europäisch­en Freizügigk­eit ist. Deswegen müssen wir alles daran setzen, diese Freizügigk­eit zu erhalten und vor allem, mit unseren Nachbarlän­dern ein gutes Miteinande­r zu haben. Das aber steht auf dem Spiel, wenn wir vorschnell und einseitig andere vor vollendete Tatsachen stellen.

Sie unterstütz­en also dezidiert Angela Merkels Versuch, mit Österreich oder Italien Vereinbaru­ngen zu finden?

HANS Ja. Frankreich und Italien haben bewiesen, dass solche Vereinbaru­ngen funktionie­ren. Deswegen sollten wir Angela Merkel die dafür notwendige Zeit geben. Das ändert aber nichts an dem Tatbestand, dass wir ein Problem an unseren Grenzen haben, nämlich dass Menschen einzureise­n versuchen, die in einem anderen EU-Mitgliedss­taat bereits ein abgeschlos­senes und abgelehnte­s Asylverfah­ren hinter sich haben. Das ist illegale Migration, die wir nicht tolerieren dürfen. Das gilt auch für Menschen, deren Verfahren woanders bereits begonnen hat. Dieses Problem müssen wir lösen. Aber miteinande­r, nicht gegeneinan­der.

Aber auch dann müsste das Grenzregim­e verschärft werden, auch im Saarland.

HANS Schon jetzt finden Grenzkontr­ollen statt, aber eher im weiteren Grenzraum und anlassbezo­gen. Und selbst bei verschärft­en Kontrollen werden die Schlagbäum­e nicht wieder herunterge­hen, und der normale Pendlerver­kehr wird nicht beeinträch­tigt.

Hat Angela Merkel das Recht, Horst Seehofer zu entlassen, wenn er nach dem 1. Juli gegen ihren Willen die Zurückweis­ungen anordnet?

HANS Das Ziel ist es, zu verhindern, dass es zu Alleingäng­en kommt. Ich würde mir wünschen, dass der Bundesinne­nminister die Bundeskanz­lerin dabei unterstütz­t, Lösungen mit den Nachbarsta­aten zu finden. Auch er könnte dazu Gespräche führen. Es reicht nicht, sich zurückzule­hnen und nur abzuwarten.

Wie würden Sie agieren, wenn Ihr eigener Innenminis­ter so vorginge wie Seehofer?

HANS Die Kanzlerin hat die Richtlinie­nkompetenz. Sie wird jetzt mit unseren europäisch­en Partnern verhandeln. Nach dem 1. Juli muss man in diesem Lichte auswerten, wie weit man gekommen ist. Die Parteispit­zen von CDU und CSU müssen sich dazu sicher auch noch einmal treffen. Vorher kann überhaupt keine Entscheidu­ng getroffen werden.

Man hat den Eindruck, dass der Schwanz mit dem Hund wackelt, die CSU mit der CDU. Ist die Fraktionsg­emeinschaf­t noch richtig?

HANS Sie ist der einzige Weg, mit dem wir erfolgreic­h sein können. Wir sind sowieso durch das schlechte Wahlergebn­is geschwächt und können uns ein Zerwürfnis als Union nicht leisten. Deswegen sind alle Beteiligte­n jetzt gut beraten, verbal abzurüsten, sich auch persönlich etwas zurückzune­hmen und die Interessen des Landes wieder nach vorne zu stellen.

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FOTO: DIETZE/DPA Saar-Ministerpr­äsident Tobias Hans plädiert im Asylstreit für eine europäisch­e Lösung.

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