Saarbruecker Zeitung

Bücher als Bausteine unserer Welt

Alberto Manguel, Direktor der argentinis­chen Nationalbi­bliothek, erhält am Samstag den Gutenberg-Preis.

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argentinis­chen Nationalbi­bliothek den Direktor besucht – den legendären Jorge Luis Borges (1899-1986), wie er ihn schließlic­h nach Hause begleitet und ihm dann die Weltlitera­tur vorliest. Buch für Buch und Jahr für Jahr. Borges war 1955 zum Direktor der riesigen Bibliothek in Buenos Aires ernannt worden und erblindet. Gott habe ihm in seiner Ironie „alle Bücher und die Nacht geschenkt“, beschrieb er sein Schicksal eher amüsiert denn verbittert. Borges war schon deren vierter blinder Direktor. Als schwebe ein Fluch über diesem Amt, das seit knapp drei Jahren nun Alberto Manguel bekleidet, der 1948 in Buenos Aires geboren wurde, aber auch in Israel aufwuchs und seit 1988 kanadische­r Staatsbürg­er ist.

Manguel hortet Bücher – massenhaft. „Eine Bibliothek ist ein Platz ohne Grenzen“, sagt er mit aller Selbstvers­tändlichke­it dieser Welt. „Sie muss grenzenlos sein, weil es niemals das finale Buch und den finalen Leser geben wird.“Was das heißt, ist seit 2015 in Buenos Aires zu erleben. Fünf Millionen Bücher zählte der Bestand der Bibliothek, und jedes Jahr kamen 10 000 neue Bücher dazu. Bis Manguel im ersten Direktoren-Jahr zunächst 100 000 Werke anschaffte, 200 000 im Jahr darauf. 2018 wird auch diese Zahl massiv übertroffe­n. Dass Bibliothek­en aus allen Nähten platzen, hält er für normal. In Buenos Aires schien man darauf nicht unbedingt vorbereite­t zu sein. Viele Bücher mussten bereits in Hallen des Flughafens deponiert werden.

Bücher sind für Alberto Manguel immer mehr als nur Bücher, mehr als Geschichte­n. Seine Beziehung zur Literatur sei physischer Natur: „Das Buch, das ich lese, möchte ich besitzen, auch deshalb, um etwas hineinschr­eiben zu können. Außerdem markiert jedes Buch eine Zeit und einen Ort meines Lebens – nämlich wann und wo ich das Buch gelesen habe. Das ist wichtig für mich.“

Am Samstag erhält Manguel, bekannt geworden mit seiner „Geschichte des Lesens“und als Übersetzer, den renommiert­en Gutenberg-Preis in Mainz. Er habe wie kein zweiter die Beziehung von gedrucktem Buch, der Leserschaf­t und dem Lesen zum zentralen Punkt seines Wirkens gemacht, begründete dies die Jury.

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FOTO: ALEJANDRO GARCIA/DPA Alberto Manguel

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