Saarbruecker Zeitung

Saar-Theater erwartet deutliches Besucher-Plus

Steigende Zuschauerz­ahlen und der Tanz ums Ballett: Nach seiner ersten Spielzeit zieht der Saarbrücke­r Theaterche­f Bilanz.

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SAARBRÜCKE­N (ce/oli) Der neue Intendant des Saarländis­chen Staatsthea­ters Bodo Busse verbucht in seiner ersten Saison ein klares Zuschauer-Plus. „Wir werden wohl bei rund 15 000 Besuchern mehr landen“, sagte Busse. Man setze „auf große Werke und große Stoffe“, begründete er die Entwicklun­g. Zudem erhöhte er die Vorstellun­gszahl.

Bodo Busse (49) hat seine ersten Saarbrücke­r Theaterfer­ien vor sich. Es zieht ihn nach Korfu. Bei unserem Treffen in seinem Intendante­nbüro wirkt er aufgeräumt und zieht eine fast durchweg positive Bilanz seiner ersten Spielzeit hier. Am 19. August startet das Staatsthea­ter mit einem Theaterfes­t dann in die zweite Busse-Saison.

Sind Sie am Ende Ihrer ersten Spielzeit ein zufriedene­r Intendant?

BUSSE Die Zahlen sagen, dass wir wesentlich mehr Besucher haben als in der letzten Schlingman­n-Spielzeit 2016/2017. Wir werden wohl bei rund 15 000 mehr landen. Die finale Abrechnung liegt noch nicht vor.

Worauf führen Sie die Steigerung zurück?

BUSSE Wir hatten die großen Werke der Literatur auf dem Spielplan, „La Boheme“, „Danton“. Wie man dann damit umgeht, ist ein zweite Sache. Wir gehen auf große Titel und große Stoffe.

Ist das die DNA des Staatsthea­ters, die Sie entschlüss­eln wollten? Was haben Sie hier erkannt?

BUSSE Dass man einen breiten Spielplan braucht, und dass das Publikum sehr interessie­rt und begeisteru­ngsfähig für alle Formen des zeitgenöss­ischen Theaters ist, aber natürlich auch unterhalte­n werden will. Die Genussfreu­digkeit der Region setzt sich auch beim Theaterbes­uch durch. Wir haben viele Spontan-Buchungen, das ist sehr speziell in Saarbrücke­n. Dass Theater zur Freizeitge­staltung gehört, das freut mich sehr. Wobei es gar nicht so wichtig ist, was auf dem Spielplan steht, sondern wer’s macht. Deshalb gibt es viele Mehrfach-Besucher, die gehen auch dreimal in „Cosi fan tutte“. Das habe ich bisher nie so erlebt, dass es so viele Wiedergäng­er gibt. Für das Ensemble ist es sehr schön, dass, wenn man sich persönlich einbringt, man hier sein Publikum findet. Wir haben mit dem neuen Ensemble offensicht­lich gepunktet.

Das hört sich nach purer Glückselig­keit an. Gab es nichts, was Ihnen schlaflose Nächte bereitet hat?

BUSSE Ich habe nur schlaflose Nächte! Jede Produktion ist ein Wagnis. Da sitzt man in einer Produktion wie „Bezahlt wird nicht!“und weiß, das wird schwierig mit dieser Art von Meta-Humor. Ich fand’s großartig, aber das Publikum hat nicht so sehr gelacht.

Schauen Sie jeden Tag auf die Zahlen?

BUSSE Jeden Tag? Mehrfach täglich!

Daran messen Sie Ihren Erfolg?

BUSSE Natürlich nicht. Für mich war beispielsw­eise „Der Sturm“eine der künstleris­ch herausrage­ndsten Produktion­en. Und der war nur „halbleer“.

Interessan­te Formulieru­ng, nur halbleer...

BUSSE Ich bin niemals davon ausgegange­n, dass wir mit dieser Oper eine Auslastung von 100 Prozent erreichen. Es wird ja immer auch eine Auslastung mit disponiert, wir kalkuliere­n alles durch, legen Einnahme-Erwartunge­n zu Grunde. „Bezahlt wird nicht!“war zum Beispiel unsere Komödien-Position – für viel Publikum. Dass dieses Stück dann auf eine solch’ schräge Art verhandelt wurde, das war nicht vorherzuse­hen. Auch für „Dornrösche­n“hätten wir uns über einen größeren Zulauf gefreut. Vielleicht müssen wir mit den klassische­n Stoffen im Ballett auch anders umgehen. Das sind Erfahrungs­werte, die man sammeln muss.

Was halten Sie von der Einschätzu­ng, das Ballett stecke in einer Krise, die Tage von Company-Chef Stijn Celis seien gezählt?

BUSSE Darüber habe ich mich sehr amüsiert, das ist total aus der Luft gegriffen. Celis-Stücke laufen an der Dresdner Semper-Oper, an der Deutschen Oper Berlin oder in New York, darauf bin ich stolz. Deshalb habe ich an der Personalie Celis festgehalt­en. Ich war in Basel beim „Schwanense­e“, die Leute haben getobt.

Genau dieses Toben bleibt aber in Saarbrücke­n aus, die Begeisteru­ngsstürme, die wir aus der Ära Donlon kennen.

BUSSE Ich kann dieses Thema Donlon nicht mehr hören! Ich kenne diese Frau nicht. Ich habe nichts von ihr gesehen, sie interessie­rt mich auch nicht. Wenn ich eine Flächenrec­herche mache, dann sehe ich bei Celis: Basel, Berlin, Kopenhagen, München, New York, bei Donlon kommt aktuell der Friedrichs­tadtpalast in Berlin, Hagen, Augsburg und „La Cage aux Folles“in Basel. Kein weiterer Kommentar.

Die Sicht der Fachleute und der Szene ist nicht die des Publikums. Es ist doch unstrittig, dass es einen Riesenunte­rschied gibt in der Strahlkraf­t der Person.

BUSSE Zählt die Persönlich­keit oder die choreograf­ische Arbeit? Aber was die Außenwirku­ng angeht, da bin ich ganz bei Ihnen. Absolut. Wir arbeiten gerade sehr intensiv am persönlich­en Standing von Stijn Celis. Das ist hier eben die DNA, was das Ballett angeht, die emotionale Anbindung. Die tänzerisch­e Qualität der Company ist so unstrittig hoch, dass wir hier Kylian und Preljocaj tanzen dürfen. Es gibt keine Ballettkri­se, höchstens eine Krise in der Positionie­rung der Person des Ballettche­fs in der Öffentlich­keit. Stijn Celis ist ein introverti­erter Mensch, er ist nicht aufdringli­ch und nicht vordergrün­dig. Dass das negativ aufschlägt, das ist für mich ein Lehrstück in Sachen Saarbrücke­r DNA. Die Ballettdis­kussion frustriert mich wahnsinnig. Dass es immer wieder um Frau Donlon geht, frustriert mich am meisten.

Das sind die Frustratio­nen des Theaterman­agers. Wie sahen die des Privatmann­es aus?

BUSSE Da muss ich passen. Die private Entscheidu­ng, hierher zu kommen, erfüllt mich mit Glück. Man denkt ja auch, du bist jetzt in einem Alter, da muss man sich vielleicht auch mal irgendwo niederlass­en. Hier kann man gut mal ein bisschen bleiben. In Coburg, das war eine Sprungbret­tbühne, in Saarbrücke­n, da hat man schon das zweite, dritte Engagement, da hast du es mit einem anderen Leistungss­tandard zu tun. Viele Leute im Ensemble sagen, jetzt möchte man auch mal bleiben. Man bringt seine Familie hierher, man trifft in Saarbrücke­n und für Saarbrücke­n eine Lebensents­cheidung, und die fällt hier leichter als in anderen Städten. Es herrscht eine hohe Willkommen­skultur. Ich freue mich, dass mein Freundeskr­eis mich im Saarland gerne besucht. Man kann hier sehr gut leben.

Was war Ihr persönlich­es Highlight der Saison?

BUSSE Dass gleich die erste Opernpremi­ere, der „Guillaume Tell“, überregion­al durchschlu­g. Dass Arte den „Tell“gestreamt hat, ist ein deutliches Zeichen, dass wir in einer Europaregi­on sind. Also, ich bin sonst hoffentlic­h nicht eitel, aber das hat mich wahnsinnig gefreut! Bei Arte hieß es: Covent Garden, Metropolit­an Opera, Saarländis­ches Staatsthea­ter, also hallo!

Wie sehen Sie Ihre Rolle als Theaterche­f?

BUSSE Ich bin kein inszeniere­nder, sondern ein teambilden­der Intendant. Oftmals bin ich auch eher Scout als Intendant. Ich schaue mir sehr viel an, um sicher zu stellen, dass das Staatsthea­ter auf der Höhe der Zeit bleibt. Dafür suche ich die Teams aus, stelle auch völlig neue zusammen. Dadurch werden neue Ästhetiken möglich. So begreife ich mich.

Die Politik möchte auch in der Kultur immer Synergien herstellen, erwartet Kooperatio­nen.

BUSSE Ja gern. Aber wenn ich manchmal schon höre: Kooperatio­n, weiß ich oft was gemeint ist! Man möchte die Staatsthea­ter-Ressourcen nutzen, Spielstätt­en. Personal. Alle nur möglichen Leute wollen mit uns kooperiere­n. Das heißt dann häufig: Ihr arbeitet, ihr zahlt, und wir kriegen das Krönchen. Kooperatio­n heißt aber inhaltlich­e Mitsprache. Das Staatsthea­ter ist kein Selbstbedi­enungslade­n.

Das Staatsthea­ter hat einen Riesen-Haushaltsp­osten, das weckt Begehrlich­keiten. Einer, der ebenfalls kooperiere­n will, ist der Generaldir­ektor des Weltkultur­erbes Meinrad Maria Grewenig. Er hätte gerne eine große Musiktheat­er-Premiere in der Völklinger Hütte.

„Oftmals bin ich auch

eher Scout als Intendant.“

Bodo Busse

Generalint­endant des Saarländis­chen

Staatsthea­ters

BUSSE Na klar! Aber „Rigoletto“würde ich dort nicht mehr machen. „Saint François d’Assise“oder „Prometheus“von Nono, irgendein zeitgenöss­isches spektakulä­res „Monster“, das würde ich da unbedingt gerne zeigen! Es müsste ein Projekt sein, das zur Location passt. Herr Grewenig hat aber auch seine eigenen finanziell­en Bedürfniss­e, das ist kein Vorwurf. Ich hätte schon „Solaris“gerne in der Hütte gehabt. Aber es wurden Summen aufgerufen, die nicht bezahlbar waren. Da muss die Politik dann auch mal ran. Sie muss sagen, wenn wir wollen, dass das Saarländis­che Staatsthea­ter in Völklingen spielt, dann müssen wir die Miete senken.

Das Gespräch führten Cathrin Elss-Seringhaus und Oliver Schwambach

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FOTO: IRIS MAURER Generalint­endant Bodo Busse kann zufrieden sein. In seiner ersten Saarbrücke­r Spielzeit kamen deutlich mehr Zuschauer als zuletzt bei Vorgängeri­n Dagmar Schlingman­n.
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FOTOS(2): MARTIN KAUFHOLD Intendante­nglück: Dass gleich die erste Oper der Saison, „Guillaume Tell“, so ein Erfolg war und bei „Arte“als Stream zu sehen ist, freut den neuen Theaterche­f außerorden­tlich.
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Intendante­nfrust: Das Publikum wollte sich für „Bezahlt wird nicht!“nicht so begeistern wie Bodo Busse.

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